Forschung und Entwicklung

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Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (F&E) sind im Geschäftsjahr 2008 um 7,0 Prozent auf 163,2 Mio. € (2007: 152,5 Mio. €) gestiegen. Die F&E-Quote – das Verhältnis der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen zum Konzernumsatz – ist auf Grund des hohen Umsatzwachstums aber etwas schwächer. Sie liegt bei 3,8 Prozent (2007: 4,0 Prozent). Forschung und Entwicklung drehen sich bei WACKER darum, für die Kunden noch bessere Produkte sowie neuartige Lösungen zu entwickeln und neue Arbeitsgebiete aufzubauen. Bei den F&E-Themen, die wir verfolgen, arbeiten wir eng mit den Kunden zusammen.

Enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden bei F&E-Themen

Die Innovationskraft von WACKER spiegelt sich in der Zahl der hinterlegten Patente sowie der Patentanmeldungen wider. Im Geschäftsjahr 2008 haben wir 119 Erfindungen zum Patent angemeldet. WACKER hält ein Patentportfolio von rund 3.500 Patenten.

Forschungs- und Entwicklungskosten (Grafik)

Forschungs- und Entwicklungsthemen werden bei WACKER in zwei Richtungen vorangetrieben – dezentral und zentral. In den einzelnen Geschäftsbereichen liegen die Forschungsschwerpunkte auf der Halbleitertechnologie, der Silicon- und der Polymerchemie, der Biotechnologie sowie auf innovativen Verfahren zur Herstellung von polykristallinem Silicium. Die Wissenschaftler von WACKER bearbeiten derzeit rund 150 Projekte in 40 Technologieplattformen – oft in Zusammenarbeit mit Kunden, Universitäten und wissenschaftlichen Instituten. Unterstützt wird die Forschung und Entwicklung durch weltweit 17 Technical Center, die mit vertriebsnahen Entwicklungen die lokalen Anforderungen der Kunden umsetzen.

Forschungsarbeit bei WACKER (Grafik)

Die zentrale Konzernforschung ist im „Consortium für elektrochemische Industrie“ angesiedelt. Hier arbeiten mehr als 200 Forscher und Laboranten in den fünf Fachbereichen Katalyse und Prozesse, Funktionsstoffe, Polymere, Organische Synthese und Biotechnologie. Das Arbeitsspektrum der Forschung im Consortium ist breit angelegt. Durch systematisches Beobachten und Auswerten von Entwicklungen im technischwissenschaftlichen Umfeld werden die Forschungsprojekte konzernübergreifend festgelegt. Gleichzeitig sind wir ständig bestrebt, unsere Herstellprozesse hinsichtlich Qualität, Umweltschutz und Kosten weiter zu optimieren.

Auch im Jahr 2008 haben wir unsere Aktivitäten in Forschung und Entwicklung ausgebaut. Die Zukunftsfelder, auf denen WACKER tätig ist, sind Photovoltaik, Energie und weiße Biotechnologie. In der Photovoltaik bauen wir unsere Technologieführerschaft bei der Herstellung von Polysilicium weiter aus. Dabei geht es nicht nur darum, den Abscheideprozess von Silicium zu verbessern, sondern auch um die Optimierung des einzigartigen, geschlossenen Produktionskreislaufs: Er reicht vom metallischen Silicium über das Reinstsilicium für Photovoltaik- und Elektronikanwendungen bis hin zu Silanen, Siliconen und pyrogener Kieselsäure.

In der Halbleiter-Industrie stoßen die Bauelemente in immer kleinere Dimensionen vor. Die dafür erforderlichen Geometrien zu beherrschen und dabei optimale Kristalleigenschaften sicherzustellen, ist eine besondere Herausforderung. Eine neue Chip-Generation mit Strukturbreiten – so genannten Design-Rules – von 32 Nanometern steht kurz vor der Einführung in die Produktion, Prozesse für Strukturbreiten von 22 Nanometern sind in Vorbereitung.

Der Geschäftsbereich Siltronic arbeitet bei seinen Entwicklungen eng mit externen Forschungsinstituten zusammen. Schwerpunkte sind Prozesssimulationen für verschiedenste Fertigungsschritte, verbesserte Prüfmethoden und die Herstellung von Halbleitermaterialien mit Hetero-Epischicht.

Unser Geschäftsbereich WACKER SILICONES brachte einige Neuheiten in der Produktgruppe der Elastomere auf den Markt, zum Beispiel UV-aktivierbare Siliconelastomere für den Verguss elektronischer Bauteile. Sie härten bereits bei Raumtemperatur, die Aushärtung im Ofen wird dadurch überflüssig. Das spart Energie und verkürzt die Taktzeiten für die Beschichtung drastisch. Die Flexibilität der neuen Elastomere kommt den Produktionsanforderungen in der Automobilindustrie, der Leistungselektronik, der Sensorik und der Photonik sehr entgegen, wo elektronische Bauteile in großen Stückzahlen benötigt werden.

Produktneuheiten bei Elastomeren

Mit einer neuen Haftungstechnologie ist es möglich, Silicone besonders einfach mit anderen Materialien zu verbinden – erstmals drucklos und ohne Vorbehandlung: Selbsthaftende Siliconkautschuke haften auf den verschiedensten Untergründen und können zum Beispiel für die Beschichtung von Kunststoffen, Metallen, Textil- oder Metallgeweben eingesetzt werden.

Auch für den Automobilbau bietet WACKER eine Palette neuer Siliconelastomere. Ölausschwitzende, also selbstschmierende Siliconkautschuke ermöglichen stabile Steckerverbindungen, die auch starken mechanischen Beanspruchungen standhalten. Alternativ sind ölfreie und dennoch gleitfähige Siliconkautschuke besonders für die automatische und kostengünstige Fertigung von Steckerabdichtungen geeignet.

Mit unserer einzigartigen Kompetenz sowohl in der Silan-, Silicon- und Partikeltechnologie als auch in der Polymerchemie sind wir in der Lage, Copolymere aus Siliconen herzustellen. Durch Kombination von Eigenschaften unterschiedlicher Materialien können wir neue angestrebte Produkteigenschaften synthetisieren. Ein Beispiel dafür sind Hybridsiliconpolymere, die flexible Siliconmoleküle mit organischen Polymerblöcken vereinen. Sie erlauben es beispielsweise, Haarsprays zu formulieren, die der Frisur starken Halt und dem Haar gute Flexibilität und ausgezeichnete Weichheit verleihen – Eigenschaften, die bisher als unvereinbar galten. In Weichspülern sorgen ähnliche Hybride für angenehm weiche und dennoch saugfähige Textilien.

Ein weiteres Zukunftsfeld ist die Bio- und Gentechnik. Sie ermöglicht die Synthese von Produkten, die auf anderen Wegen nicht oder nur äußerst aufwendig zu erreichen wäre. Das WACKER-Sekretionssystem mit Bakterien, ESETEC®, stellt eine wirtschaftliche Methode zur Herstellung von Pharmaproteinen dar. In Kooperation mit der MorphoSys AG werden damit auch Antikörperfragmente für diagnostische und therapeutische Zwecke produziert. MorphoSys und WACKER haben im Geschäftsjahr 2008 die Zusammenarbeit nochmals intensiviert. In einer neuen Vereinbarung wurden die Einsatzfelder präzisiert und genaue Produktmengen definiert. Um den wachsenden Kundenanfragen nachzukommen, werden derzeit die Prozessentwicklungs- und Produktionskapazitäten und die Fläche der bestehenden Produktionsanlage bei WACKER Biotech in Jena erhöht.

Wirtschaftliche Methode zur Herstellung von Pharmaproteinen entwickelt

Vor kurzem ist mit diesem Sekretionssystem auch die Herstellung von Anticalinen® gelungen. Anticaline® sind künstliche Proteine, die wie Antikörper wirken. Sie werden derzeit von der Münchner Pieris AG für die Krebstherapie entwickelt. Mit der Produktion des ersten klinischen Testkandidaten dieses Unternehmens wurde das Sekretionssystem für ein derartiges Produkt erstmals erfolgreich in größerem Maßstab angewendet.

Unsere Forschung in der weißen Biotechnologie konzentriert sich auf die Entwicklung von Produkten auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Im Jahr 2008 gelang es, die Aminosäure Cystein durch Fermentation in hohen Ausbeuten herzustellen und aus der Fermentationsbrühe direkt zu isolieren. Dieses vegetarische Cystein ist erstmals vollständig auf natürlichen Wegen erzeugt. Die Markteinführung für den Einsatz in der Aromenindustrie ist für das Jahr 2009 geplant. Zudem versuchen wir die knapper werdenden Rohstoffe Erdöl und Erdgas durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. So forschen wir an einem Verfahren, Essigsäure und Ethylen aus Biomasse und Bioethanol zu gewinnen.

Zur Förderung unserer eigenen Forschung verleihen wir jährlich den Alexander-Wacker-Innovationspreis. In der Kategorie Grundlagenforschung ging der Preis im Jahr 2008 an die Entwickler der α-Silantechnologie. Mit α-Silanen lassen sich leistungsfähige und umweltfreundliche Produkte für die Bauindustrie herstellen. So kann zum Beispiel ein isocyanatfreier Montageschaum auf α-Silanbasis klassische Polyurethanschäume ersetzen. Isocyanate können Allergien auslösen, manche stehen im Verdacht, die Entwicklung von Krebs zu fördern. Vertrieb und Nutzung isocyanathaltiger Produkte wurden deshalb durch ein neues EU-Gesetz mit strengeren Auflagen versehen.

Andere Silane, die Vinylsilane, verbessern die Eigenschaften klassischer thermoplastischer Kunststoffe wie Polyethylen. Diese Kunststoffe sind nicht robust gegenüber Temperatur- und Witterungseinflüssen und deshalb für viele Rohr- und Kabelanwendungen ungeeignet. Silanvernetztes Polyethylen ist erheblich beständiger und kann deshalb diese Anwendungsbereiche erschließen, die bisher dem PVC vorbehalten waren.