Aus eigener Kraft weiter wachsen.

In Europa stehen die Zeichen für das Polymergeschäft auf Wachstum. Mit maßgeschneiderten Produkten für die lokale Baubranche wächst der Absatz bei den Dispersionspulvern in Russland, Osteuropa und der Türkei weit überproportional. Und auch in Westeuropa erschließt WACKER mit Innovationen und dem Einsatz von Polymeren in neuen Anwendungen lukrative Märkte.

Runde Türme und geschlossene, rechteckige Fassaden – von außen weckt das Gebäude Assoziationen einer modernen Festung. In der Lagerhalle im Erdgeschoss stapeln sich 25-Kilo-Säcke und Big Bags mit 1.000 Kilogramm auf Paletten. Und darüber laufen 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr die Sprühtrockner, die aus einer milchig-weißen Dispersion feinen Staub machen: VINNAPAS®-Dispersionspulver.

Gerade erst hat in Burghausen ein neuer Sprühtrockner den Betrieb aufgenommen. Mit 50.000 Tonnen Pulver im Jahr ist es die größte, modernste und effizienteste Anlage weltweit. Mit ihr will WACKER die steigende Nachfrage nach Dispersionspulvern in Europa bedienen. 2014 hat WACKER zehn Prozent mehr Dispersionspulver verkauft als im Vorjahr. Dabei ist WACKER mit VINNAPAS® weltweit schon seit Jahren mit Abstand die Nummer eins. In Europa liegt der Marktanteil bei mehr als 50 Prozent.

VINNAPAS® – ein Alleskönner am Haus

Polymere Bindemittel von WACKER kommen am Bau in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz – vor allem zur Vergütung von zementären Systemen. Das Grundprinzip ist dabei immer gleich: Härtet Mörtel aus, bilden sich zwischen den spröden mineralischen Bestandteilen elastische Kunststoffbrücken. Sie erhöhen Flexibilität und Haftung und haben weitere vorteilhafte Eigenschaften. Einige Beispiele:

Putze Fugenmörtel WDVS Fassade Selbstverlaufsmassen Fliesenkleber Dichtungsschlämmen Spachtelmasse

1

Putze

Polymere Bindemittel sorgen für eine erhöhte Abriebfestigkeit und bessere Verarbeitbarkeit von mineralischen Putzen.

2

Fugenmörtel

Mit VINNAPAS® modifizierte Fugenmörtel wirken hydrophobierend und reduzieren dadurch die Wasseraufnahme.

3

WDVS

VINNAPAS®-Bindemittel bewirken eine gute Haftung von Wärmedämmverbundsystemen auf allen Substraten und gleichen durch ihre Flexibilität die Expansionskoeffizienten der

verschiedenen Materialien aus.
4

Fassade

Für Beschichtungen mit hoher Verschmutzungsresistenz und gleich bleibenden Eigenschaften können VINNAPAS®-Dispersionen für Fassadenfarben formuliert werden.

5

Selbstverlaufsmassen

Polymere Dispersionspulver sorgen durch ihre verlaufsunterstützenden Eigenschaften dafür, dass in nur einem Arbeitsgang eine glatte ebene Oberfläche entsteht.

6

Fliesenkleber

VINNAPAS® steigert die Flexibilität von zementären Fliesenklebern, wirkt wasserabweisend und verhindert Spannungsrisse zwischen Wand und Fliese.

7

Dichtungsschlämmen

Polymervergütete mineralische Dichtungsschlämmen werden typischerweise zur Abdichtung von Feuchtund Nassräumen verwendet.

8

Spachtelmasse

Dispersionspulver erhöhen die Plastizität von zementären Systemen und steigern dadurch den Haftverbund mit dem Untergrund.

Energiesparen boomt in Europa

Die vielen Säcke in der Lagerhalle können nur eine vage Vorstellung davon vermitteln, wie groß dieses Geschäft tatsächlich ist. In den Schwellenländern Osteuropas treiben der steigende Wohlstand und die zunehmende Urbanisierung den Absatz von VINNAPAS®. Selbstverlaufsmassen und Putze, leistungsfähige Fliesenkleber und energiesparende Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) bieten noch viel Potenzial.

In Westeuropa sorgt vor allem das Thema Energiesparen für Wachstum bei den polymeren Pulvern. Allein in Deutschland stellt die Bundesregierung über das „Aktionsprogramm Klimaschutz“ in den nächsten fünf Jahren mehrere Milliarden Euro für die Sanierung von Gebäuden bereit. Ein großer Teil der staatlich geförderten Investitionen wird in die Wärmedämmung von Hausfassaden gehen. Dort sind die polymeren Binder im Mörtel unverzichtbar, um die einzelnen Schichten zu verkleben und die Dämmplatten dauerhaft an der Hauswand zu halten.

Auch in den Nachbarländern Deutschlands boomt das Energiesparen. Damit Hersteller neue Fassadensysteme prüfen können, hat WACKER in Burghausen gerade eine zusätzliche Testanlage eingeweiht. In den beiden Klimakammern gehen die Wärmedämmverbundsysteme in den Härtetest. Von Regen bis Dauerfrost lassen sich verschiedenste Wetterbedingungen simulieren. Klimatische Extreme im Schnelldurchlauf, damit die Kunden von WACKER ihre neuen Dämmsysteme schneller auf den Markt bringen können. Eine zweite Testanlage in Moskau unterstützt russische Hersteller.

Hochwertige Bauchemie ist gefragt

Im technischen Kompetenzzentrum in Moskau hilft das Team Kunden aus der Baubranche auch bei allen anderen Fragen rund um Mörtel und Co. weiter. WACKER hat schon früh begonnen, Innovationen für Russland vor Ort zu entwickeln. Aktuell arbeiten die Chemiker in Moskau gemeinsam mit Kunden zum Beispiel an Klebstoffrezepturen für die Wärmedämmung, die sich auch bei Temperaturen unter null verarbeiten lassen. So müssen die Handwerker nicht von Oktober bis April pausieren.

Positiv für WACKER ist, dass in den Ländern dieser Region hochwertige und emissionsfreie Bauchemikalien immer mehr gefragt sind. „Da können wir mit unseren Produkten punkten“, sagt Ole Mecker, Osteuropa, Mittlerer Osten und Afrika-Verantwortlicher im Geschäftsfeld Polymere für Bauanwendungen. Zum Beispiel seien im Westen Russlands, in Polen oder auch in Südosteuropa großformatige Fliesen in Mode. Hier bräuchten Fliesenleger modifizierte Kleber, um die schweren Fliesen aus Feinsteinzeug, Porzellan oder Naturstein zu verlegen.

In Russland legt WACKER zudem in den Spezialbereichen zu. Vertriebsleiter Sergej Bezruchko erzählt: „Wir spüren in unserem technischen Kompetenzzentrum in Moskau gerade ein großes Interesse an Selbstverlaufsmassen, die man zum Beispiel für industrielle Fußböden braucht. In Polen und auch in der Türkei läuft vor allem das Geschäft mit WDVS-Klebern sehr gut.“

Mecker ist daher auch sehr zufrieden mit dem Verkauf der Dispersionspulver in Osteuropa, Russland und den übrigen GUS-Staaten. „Wir haben 2014 in dieser Region 16 Prozent mehr Umsatz gemacht als im Vorjahr“, sagt der Regionenleiter. „Und auch in absoluten Zahlen konnten wir deutlich wachsen.“ Die Zukunftspläne sind nicht weniger ehrgeizig: Bis 2018 wollen Mecker und sein Team den Absatz in ihrer Verkaufsregion um 50 Prozent nach oben fahren.

Wachstum im Osten

Für WACKER hat sich das Geschäft mit der osteuropäischen Bauindustrie in den Jahren 2010 bis 2014 positiv entwickelt. Am stärksten gewachsen sind:

Wachstum im Osten (Balkendiagramm)Wachstum im Osten (Balkendiagramm)

Durchschnittliches jährliches Wachstum 2010 bis 2014 in %

Sie setzen dabei nicht nur auf den steigenden Wohlstand. Mecker und seine Mannschaft wollen in Märkten wie beispielsweise Russland, Polen oder Türkei mit neuen Dispersionspulvern auch zusätzliche Marktsegmente ansprechen, für die das hochwertige VINNAPAS® bisher nicht attraktiv war. Auf der MosBuild, der jährlichen Baumesse in Moskau, hat Sergej Bezruchko seinen Kunden im vergangenen Jahr bereits ein für den russischen Markt entwickeltes Bindemittel für Selbstverlaufsmassen vorgestellt. Es ist umweltfreundlich und effizient – und hat gleichzeitig die Kosten im Fokus. „Mit solchen Produkten sprechen wir gezielt Kunden an, die nicht in unserem Kernsegment arbeiten“, erklärt der Russe, der seit 15 Jahren für WACKER zwischen St. Petersburg und Sibirien unterwegs ist.

Bild vergrößernIm technischen Kompetenzzentrum für Bauanwendungen in Moskau werden seit zwölf Jahren speziell auf den russischen Markt zu geschnittene Polymere entwickelt. (Foto)

Im technischen Kompetenzzentrum für Bauanwendungen in Moskau werden seit zwölf Jahren speziell auf den russischen Markt zugeschnittene Polymere entwickelt.

Bild vergrößernIn der Klimakammer lässt sich der harte russische Winter simulieren. (Foto)

In der Klimakammer lässt sich der harte russische Winter simulieren.

Bild vergrößernAuch in Burghausen können WDVS-Hersteller neue Fassadensysteme prüfen. Gerade erst wurde eine zusätzliche Testanlage eingeweiht. (Foto)

Auch in Burghausen können WDVS-Hersteller neue Fassadensysteme prüfen. Gerade erst wurde eine zusätzliche Testanlage eingeweiht.

Bild vergrößernModerne Selbstverlaufsmassen im Anwendungstest. (Foto)

Moderne Selbstverlaufsmassen im Anwendungstest.

Der Vertriebsleiter kennt die Bauwirtschaft in Russland und den GUS-Staaten wie kaum ein anderer. „Mit den auf die regionalen Märkte zugeschnittenen Bindemitteln können wir der inländischen Konkurrenz gut begegnen“, erklärt Bezruchko. „Auch wenn der Rubel schwach ist.“ In der Ukraine-Krise sieht er im Übrigen keine Gefahr für das Geschäft mit den Polymeren. „Weil unsere Produkte hauptsächlich in die Gebäuderenovierung gehen, sind wir unabhängig von Booms und Blasen – und zum Glück auch weitgehend von Krisen“, erklärt er. Direkte Auswirkungen des russischen Einfuhrverbots für bestimmte Waren aus der Europäischen Union gebe es auch nicht, ergänzt Ole Mecker.

Neue Produkte für den Bau

In Burghausen wird weiter rund um die Uhr produziert. Auch die Entwickler arbeiten dort mit Hochdruck an neuen Produkten. Zum Beispiel an neuen reaktiven Polymeren für Bauanwendungen. Sie könnten dort flüssige Epoxidharze ersetzen. Ein Beispiel dafür, wie Polymere in ganz neue Anwendungsfelder vorstoßen können und dort herkömmliche Techniken substituieren. „Diese reaktiven Polymere hätten enorme Vorteile“, erzählt Dr. Rainer Fischer, der als Vertriebsleiter für Zentral- und Osteuropa sowie die Türkei zuständig ist. Sie könnten leichter verarbeitet werden als das flüssige Epoxidharz, das aus zwei Komponenten zusammengemischt wird. Zudem seien sie flexibler und hafteten besser. Sie lösten keine Allergien aus und müssten nicht gekennzeichnet werden, sagt Fischer. Der Biochemiker kann sich etliche Anwendungen vorstellen. „Mit den reaktiven Polymeren könnten zum Beispiel Bodenbeläge, stark belastbare Fugenmörtel oder auch Beton- und Dachbeschichtungen hergestellt werden“, sagt er. „Der Markt, den bisher die Epoxidharze dominieren, ist riesig.“

Hightech-Beton mit Potenzial

Eine neue Rolle können polymere Bindemittel in Zukunft auch im Beton spielen. Die Experten in Burghausen testen zahlreiche Anwendungen im Tunnel-, Gleis- und Autobahnbau. Zum Beispiel Dränbeton, der Wasser durchlässt, Flächen entsiegelt und Schall schluckt. Die Deutsche Bahn hat bereits eine Tunnelfahrbahn bei Kassel mit dem Dränbeton renoviert. Das lief so gut, dass jetzt auch die zweite Röhre des Tunnels damit ausgestattet wird.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen will den mit polymeren Bindemitteln modifizierten Beton schon bald auf einer Teststrecke als Fahrbahnbelag prüfen. Er soll Aquaplaning verhindern und den Verkehr deutlich leiser machen. „Es dauert im Autobahnbau zwar immer einige Jahre, bis neue Materialien freigegeben werden“, erklärt Ole Mecker. „Aber wenn der Markt diese Lösung akzeptiert, sehen wir in Europa und darüber hinaus ein wirklich hohes Potenzial.“