Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre,

2019 war wie von uns erwartet ein herausforderndes Geschäftsjahr für WACKER. Den größten Einfluss auf die operative Geschäftsentwicklung unseres Unternehmens hatten dabei die deutlich niedrigeren Durchschnittspreise für Solarsilicium sowie die geringeren Preise für Standardsilicone. Das hat den Konzernumsatz und das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen () maßgeblich gebremst. Insgesamt haben Preiseffekte den Konzernumsatz um 365 Millionen Euro gemindert. Mit 4,93 Milliarden Euro liegt der Umsatz ein Prozent unter dem Vorjahr. Das EBITDA fiel mit 783,4 Millionen Euro um 16 Prozent geringer aus. Darin enthalten ist eine Versicherungsleistung aus dem Schadensfall im Jahr 2017 an unserem US-Standort in Charleston in Höhe von 112,5 Millionen Euro.

Gegenüber unseren Annahmen zum Beginn des Jahres 2019 haben sich die Preise für Solarsilicium in der zweiten Jahreshälfte nicht erholt. Auf Grund der angepassten Erwartung für die weitere Preisentwicklung haben wir auf unsere Anlagen eine Sonderabschreibung in Höhe von 760 Millionen Euro vorgenommen, die sich ergebniswirksam im Ergebnis vor Zinsen und Steuern () und im Konzernergebnis ausgewirkt hat. Im Konzernergebnis weisen wir einen Verlust von 630 Millionen Euro aus.

Positiv war im Jahr 2019 der mit rund 185 Millionen Euro. Darin enthalten sind rund 100 Millionen Euro aus Versicherungszahlungen. Gleichzeitig haben wir eine Sonderzahlung von 70 Millionen Euro an die Pensionskasse der Wacker Chemie geleistet. Hier wirken sich das niedrige Zinsumfeld und die niedrigen Diskontierungssätze aus, die unsere Pensionsverpflichtungen belasten.

Die Nettofinanzschulden waren geprägt durch den neuen Rechnungslegungsstandard 16, der die Leasingbilanzierung regelt. Der Anstieg der Nettofinanzschulden um 120 Millionen Euro auf rund 715 Millionen Euro ist ausschließlich darauf zurückzuführen.

Insgesamt war 2019 ein Jahr, in dem sich die wirtschaftliche Entwicklung abgeschwächt hat. Im Bereich WACKER SILICONES hat sich das Geschäft nach der Marktknappheit im Jahr 2018 normalisiert. Hier sind die Preise für Standardsilicone unter Druck geraten. Außerdem hat das Vorratsmanagement der Kunden die Nachfrage deutlich gebremst. Das hat zu einem Rückgang beim Umsatz und beim EBITDA geführt. Die beiden Bereiche WACKER POLYMERS und WACKER BIOSOLUTIONS haben sich angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gut behaupten können. Sie steigerten ihren Umsatz und das .

Im Geschäftsjahr 2019 konnten wir zwei wichtige Investitionsprojekte abschließen. An unserem amerikanischen Produktionsstandort in Charleston haben wir eine neue Anlage für hochdisperse pyrogene in Betrieb genommen. Die zusätzlichen Kapazitäten stärken unsere Marktposition als einer der weltweit führenden Hersteller von pyrogenen Kieselsäuren und begleiten die wachsende Nachfrage unserer Kunden. Diese Investition ist außerdem der erste Schritt zu einem integrierten Produktionsstandort in den USA, dem zweitgrößten Chemiemarkt der Welt.

An unserem norwegischen Standort Holla produzieren wir mit einem neuen hochmodernen Schmelzofen Siliciummetall als Rohstoff für unser Siliconegeschäft. Wir haben damit die Produktionskapazität um 40 Prozent erhöht. Mit dem Ausbau unserer Eigenproduktion sind wir unabhängiger von Preisschwankungen an den Rohstoffmärkten und steigern gleichzeitig unsere Versorgungssicherheit.

Schwierig hat sich unser Polysiliciumgeschäft gestaltet. Dafür gibt es mehrere Gründe. In allen Wertschöpfungsstufen bestehen Überkapazitäten und chinesische Polysiliciumhersteller werden staatlich subventioniert. Das hat dazu geführt, dass die Preise für Solarsilicium weiter gesunken sind. Zusätzlich haben die höheren Stromkosten in Deutschland die Ergebnisentwicklung belastet. Obwohl wir mehr Mengen abgesetzt und die Herstellungskosten weiter verringert haben, konnten wir das nicht vollständig ausgleichen.

Trotz dieser unbefriedigenden Marktsituation gibt es wichtige Signale für eine gute Zukunft der Photovoltaik. Erstens: Der Markt wird weiterwachsen. Die Installation neuer Solaranlagen weltweit steigt an. Zweitens: Ohne die Photovoltaik ist eine Verringerung der CO2- in der Welt nicht zu erreichen.

Unabhängig vom negativen Jahresergebnis schlagen Aufsichtsrat und Vorstand der Hauptversammlung im Mai eine moderate Dividende von 0,50 Euro pro Aktie vor. Dieser Vorschlag ist ein Zeichen unserer Zuversicht in die künftige Entwicklung des Unternehmens.

2020 wird für WACKER ein weiteres sehr anspruchsvolles Geschäftsjahr. Es ist noch nicht erkennbar, ob die Weltwirtschaft im laufenden Geschäftsjahr wieder an Fahrt gewinnt. Inwieweit der Ausbruch des Coronavirus in China die wirtschaftliche Entwicklung bremst, ist derzeit ebenfalls noch nicht verlässlich abzuschätzen. Die Marktsituation im Geschäft mit bleibt herausfordernd. Wir gehen nicht davon aus, dass die Preise für Solarsilicium kurzfristig anziehen. Diese Rahmenbedingungen und Faktoren belasten unsere Geschäftsaussichten.

Auf Grund dieser Marktrealitäten sehen wir es als unsere vorrangige Aufgabe an, WACKER als Unternehmen für die Zukunft noch wettbewerbsfähiger aufzustellen. Unter dem Namen „Zukunft gestalten“ arbeiten wir daran, unsere Kosten signifikant zu senken und unser Geschäft in seinen Strukturen und Prozessen schlanker und flexibler zu machen. Wir haben uns Ziele gesetzt, die wir bis Ende 2022 erreichen wollen. Insgesamt wollen wir Kosten in Höhe von rund 250 Millionen Euro einsparen. Das soll zum einen über Einsparungen bei den Sachkosten geschehen und zum anderen durch den Abbau von mehr als 1.000 Stellen vor allem in den nicht operativen Funktionen des Unternehmens. Der Schwerpunkt des Stellenabbaus wird dabei mit rund 80 Prozent in Deutschland liegen.

Für das Jahr 2020 erwarten wir noch keine spürbaren Entlastungen aus diesem Programm. In unserer Prognose sind noch keine Einmalaufwendungen für die Umsetzung dieser Maßnahmen enthalten, da sich die Kosten dafür aktuell noch nicht beziffern lassen.

Für unser operatives Geschäft gehen wir im Jahr 2020 von einer leichten Entlastung bei den Rohstoff- und Energiekosten aus. Insgesamt rechnen wir mit einem Umsatzanstieg im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Beim EBITDA erwarten wir allerdings einen Rückgang. Hier wirken sich erneut niedrigere Durchschnittspreise bei Polysilicium, aber auch niedrigere Preise bei chemischen Standardprodukten aus. Zudem haben wir die Unsicherheit in der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung berücksichtigt. Ein weiterer Grund für das geringere EBITDA ist ein Effekt aus dem Vorjahr: Im Jahr 2019 haben wir einmalige Versicherungsleistungen aus dem Schadensfall an unserem US-Produktionsstandort Charleston vereinnahmt. Beim Konzernjahresüberschuss rechnen wir nach dem Verlust im vergangenen Jahr wieder mit einem positiven Ergebnis. Das Risiko einer Pandemie auf Grund des Coronavirus stufen wir seit Ende Februar 2020 als hoch ein mit möglicherweise großen Auswirkungen auf die Finanz- und Ertragslage.

Auch wenn das wirtschaftliche Umfeld uns zurzeit vor große Herausforderungen stellt, denken und handeln wir langfristig und zukunftsorientiert. Das zeigt sich nach wie vor in unseren Investitionen, die mit rund 350 Millionen Euro auf dem Niveau des Vorjahres liegen. Wir setzen gezielt auf den Ausbau unserer Anlagen für Zwischen- und Fertigprodukte in unseren Chemiebereichen mit Schwerpunkt auf unser Spezialitätengeschäft.

In unserem Polysiliciumgeschäft setzen wir alles daran, unsere Herstellungskosten deutlich zu verringern. Gleichzeitig wollen wir unsere Marktanteile mit Kunden aus der Halbleiterindustrie ausbauen und den Absatz von Polysilicium für monokristalline Solarwafer steigern.

Unser attraktives Geschäftsportfolio, unsere starke Präsenz in den wichtigen Märkten der Welt, die führenden Marktpositionen unserer Geschäftsbereiche sowie innovative neue Produkte und Technologien sind Trümpfe, mit denen wir das Wachstum im Unternehmen in den kommenden Jahren voranbringen wollen.

Innovationen leiten unser Geschäft. Dadurch können wir weiter wachsen. Unsere Innovationskraft ist ein wichtiger Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft. Deshalb investieren wir weiter in Forschungs- und Entwicklungsthemen. Allein im Jahr 2019 waren das mehr als 170 Millionen Euro.

Ein wesentlicher Garant für die erfolgreiche Zukunft von WACKER sind unsere Mitarbeiter. Sie sind dafür verantwortlich, dass wir in der Vergangenheit erfolgreich waren. Dafür möchte ich mich auch im Namen meiner Vorstandskollegen bedanken.

Unser Dank gilt genauso all unseren Kunden und Lieferanten für die vertrauensvolle und verlässliche Zusammenarbeit. Unseren Aktionärinnen und Aktionären danke ich für den offenen Dialog und für ihr Vertrauen in das Unternehmen. Dieses Vertrauen ist uns wichtig, in schwierigen Zeiten umso mehr. Es ist für uns der Ansporn, alles zu tun, damit das Unternehmen WACKER langfristig erfolgreich bleibt.

München, im März 2020

Dr. Rudolf Staudigl
Vorsitzender des Vorstands der Wacker Chemie AG

EBITDA
Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortisation = Ergebnis vor Zinsen und Steuern und vor Abschreibungen = EBIT + Abschreibungen.
EBIT
Earnings Before Interest and Taxes = Ergebnis vor Zinsen und Steuern. Über verschiedene Unternehmen einheitlich definierte und damit gut vergleichbare Gewinngröße.
Netto-Cashflow
Der Netto-Cashflow ist definiert als Summe aus dem Cashflow der betrieblichen Geschäftstätigkeit und dem Cashflow aus langfristiger Investitionstätigkeit (ohne Wertpapiere).
IFRS
Die International Financial Reporting Standards (bis 2001 International Accounting Standards, IAS) sind internationale Rechnungslegungsvorschriften, die vom in London / Großbritannien ansässigen „International Accounting Standards Board“ (IASB) erarbeitet und veröffentlicht werden. Seit 2005 sind die IFRS nach der so genannten IAS-Verordnung von börsennotierten Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union verpflichtend anzuwenden.
EBITDA
Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortisation = Ergebnis vor Zinsen und Steuern und vor Abschreibungen = EBIT + Abschreibungen.
Kieselsäure
Sammelbezeichnung für Verbindungen der allgemeinen Formel SiO2 nH2O. Synthetische Kieselsäuren werden aus dem Rohstoff Sand gewonnen. Auf Basis des Herstellungsverfahrens unterscheidet man Fällungskieselsäuren und pyrogene Kieselsäuren (z. B. HDK®).
Emission
Von einer Anlage in die Umwelt ausgehende Stoffausträge, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme oder Strahlen.
Polysilicium
Polykristallines Silicium des Bereichs WACKER POLYSILICON. Hochreines Silicium zur Herstellung von Siliciumwafern für die Elektronik und Solarindustrie. Rohsilicium wird in das flüssige Trichlorsilan überführt, aufwändig destilliert und bei 1.000 Grad Celsius in hochreiner Form wieder abgeschieden.

Vorjahresvergleich