Brief des Vorstands

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München, im März 2009
Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre, (Handschrift)

am 8. Mai 2008 habe ich den Vorstandsvorsitz der Wacker Chemie AG übernommen. In dieser Funktion wende ich mich mit diesem Brief zum ersten Mal an Sie. Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr – trotz zusätzlicher Herausforderungen – an das erfolgreiche Geschäftsjahr 2007 anknüpfen können. Sowohl beim Umsatz als auch beim operativen Ergebnis konnte WACKER neue Höchstmarken erzielen. Wir haben damit unsere zu Beginn des Jahres 2008 formulierten Ziele erreicht. Dafür möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken, ebenso unseren Kunden.

Der Umsatz erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro. Das EBITDA stieg auf 1,06 Milliarden Euro, obwohl die hohen Energie- und Rohstoffkosten sowie Wechselkurseffekte unser Ergebnis belastet haben. Der Ausbau der Produktionskapazitäten ist ein wichtiger Baustein unserer Wachstumsstrategie. Besonders profitieren wir vom steigenden Bedarf der Solarindustrie nach Polysilicium. Die Ausbaustufe 7 unserer Polysiliciumproduktion haben wir sechs Monate früher in Betrieb genommen als geplant, so dass wir bereits erste größere Mengen an unsere Kunden ausliefern konnten. Dieses Projekt steht für unser exzellentes Engineering-Know-how, das wir über Jahrzehnte aufgebaut haben, und das es uns trotz der Komplexität der Anlagen immer wieder ermöglicht, unsere ambitionierten Zeitpläne zu erfüllen oder sogar zu unterbieten. Auch der Aufbau unserer chinesischen Standorte Nanjing und Zhangjiagang schreitet zügig voran. In Zhangjiagang läuft seit November 2008 die Produktion von pyrogener Kieselsäure.

Abschließen konnten wir im abgelaufenen Geschäftsjahr wie von uns vorgesehen die Integration des Dispersionsgeschäfts von unserem langjährigen Partner Air Products. Wenn wir im Jahr 2009 unseren Produktionsstandort Nanjing in Betrieb nehmen, verfügen wir als einziges Unternehmen am Markt über eine geschlossene Wertschöpfungskette bei Dispersionen und Dispersionspulvern in Amerika, Asien und Europa.

Das Investitionsvolumen ist auf Grund unseres Ausbauprogramms und der Akquisition des Dispersionsgeschäfts gegenüber dem Vorjahr nochmals stark gestiegen und hat erstmals in der Geschichte von WACKER die Milliarden-Euro-Grenze übersprungen. Das haben wir vollständig aus dem eigenen Cashflow finanziert. Obwohl wir deutlich mehr investiert haben, ist der Konzern solide finanziert und verfügt über eine hervorragende Eigenkapitalausstattung. Die liquiden Mittel übersteigen die kurz- und langfristigen Finanzverbindlichkeiten. WACKER ist damit praktisch schuldenfrei – ein Zustand, der angesichts der Finanzkrise an Bedeutung gewonnen hat.

Am Erfolg, den wir im abgelaufenen Geschäftsjahr erzielt haben, werden wir unsere Aktionäre natürlich beteiligen. Genauso wichtig erachten wir es in Zeiten der Finanzkrise aber auch, die Innenfinanzierungskraft des Unternehmens zu stärken und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Jahr 2009 zu berücksichtigen. Deshalb schlagen wir der Hauptversammlung im Mai 2009 eine Dividende von 1,80 Euro pro Aktie vor. Bezogen auf das Jahresergebnis beträgt die Ausschüttungsquote 20,4 Prozent.

Was unsere eigenen Ziele betrifft, können wir mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr zufrieden sein. Dennoch war 2008 ein Jahr mit zwei Gesichtern. Im ersten Halbjahr setzte sich das Wachstum der vergangenen Jahre fort. Das zweite Halbjahr entwickelte sich genau in die entgegengesetzte Richtung. Vor allem im vierten Quartal sind die Nachfrage und die Umsätze in fast allen Industrien und rund um den Globus dramatisch zurückgegangen. Auch WACKER hat das zu spüren bekommen.

Die Wucht, mit der die Krise hereingebrochen ist, überrascht. Angesichts des Ausmaßes dieser Entwicklung möchte ich Ihnen Antworten auf Fragen geben, die sich in den letzten Wochen nicht nur Sie als Aktionäre von WACKER gestellt haben, sondern auch unsere Mitarbeiter, unsere Kunden, Lieferanten und auch wir selbst. Wie wird sich die Weltwirtschaftskrise auf das Geschäft von WACKER auswirken? Halten wir trotzdem an unserer Wachstumsstrategie fest?

WACKER kann sich dem konjunkturellen Abschwung der Weltwirtschaft nicht entziehen. Aber wir sind in der Lage, die Auswirkungen auf uns zu beeinflussen. Wir haben deshalb schon im vergangenen Jahr gehandelt und einen Maßnahmenkatalog verabschiedet, der die Folgen dieser Krise begrenzen soll. Zu diesen Maßnahmen gehören unter anderem Kurzarbeit, die vorübergehende Abschaltung von Anlagen, Budgeteinsparungen, eine modifizierte Investitionsplanung und die sichere Finanzierung des operativen Geschäfts. Positive Effekte erwarten wir außerdem bei den Rohstoff- und Energiekosten, die unserer Einschätzung nach unter dem Niveau des Jahres 2008 liegen werden.

Konjunkturbedingt gehen wir heute davon aus, dass wir im Jahr 2009 sowohl beim Umsatz als auch beim operativen Ergebnis einen Rückgang sehen, dessen Höhe zurzeit nicht eingeschätzt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist eine verlässliche Prognose derzeit nicht möglich. Wir werden uns im Rahmen der Quartalsberichterstattung konkreter zum laufenden Geschäftsjahr äußern. Trotz der schwierigen konjunkturellen Lage gibt es aber auch Wachstumspotenziale für unsere beiden Geschäftsbereiche WACKER POLYSILICON und WACKER FINE CHEMICALS.

Sobald die Weltwirtschaft die Rezession überwunden hat, werden wir wieder auf unseren angelegten Wachstumspfad zurückkehren. Denn WACKER hat grundsätzlich kein strukturelles Problem, sondern kämpft vor allem mit einem konjunkturbedingten Nachfragerückgang.

Obwohl wir kein einfaches Jahr vor uns haben, halten wir unverändert an unserer langfristigen Wachstumsstrategie fest. Unsere Investitionen bleiben auch im Geschäftsjahr 2009 auf einem hohen Niveau, damit wir unsere Wachstums potenziale vor allem auf dem Solarmarkt ausschöpfen können. Die Entscheidung, eine weitere Polysiliciumanlage in Nünchritz zu errichten, unterstreicht das. Genauso wie unsere Ankündigung Ende Februar 2009, einen neuen Verbundstandort für die Polysiliciumproduktion in Amerika aufzubauen.

Sie sehen, wir sind für die weitere Zukunft von WACKER optimistisch. Die wichtigen Megatrends, von denen wir profitieren, sind nach wie vor intakt. Besonders bei den Themen Energie sparen und Energie nachhaltig erzeugen besitzen wir ein einzigartiges Produktportfolio. Das Gleiche gilt auch für die vielen technologisch führenden Produkte aus unserem Hause, die dazu beitragen, den Lebensstandard in den Schwellenländern zu steigern und ihn in den Industrieländern hochzuhalten. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zum weltweiten Fortschritt und sorgen zugleich für eine nachhaltige Entwicklung. Nachhaltiges Wirtschaften ist bei uns seit Jahren fester Bestandteil der Produktions- und Geschäftsprozesse. Für unsere biotechnologische Herstellung der Aminosäure Cystein sind wir beispielsweise im vergangenen Jahr mit dem Umweltpreis des Bundesverbands der Deutschen Industrie ausgezeichnet worden.

Wir sind weltweit hervorragend aufgestellt, verfügen über ein hohes Produktions- und Anlagen-Know-how und beste, langjährige Kundenbeziehungen – Stärken, die auch in Zukunft ausschlaggebend dafür sein werden, dass WACKER langfristig erfolgreich bleibt. Meine Vorstandskollegen und ich werden alles tun, damit uns dies bestens gelingt.

Dr. Rudolf Staudigl
Vorsitzender des Vorstands der Wacker Chemie AG