...// 02 BerichtFast 4,8 Millionen Menschen leben in der pulsierenden Metropole Singapur, 1,2 Millionen von ihnen sind Arbeitskräfte aus aller Welt. Die Insel kann man per Auto in einer Stunde durchqueren, aber trotz der Enge herrscht in dem Inselstaat Harmonie. In einem Industriegebiet haben die WACKER-Tochter Siltronic und der Samsung-Konzern eine Fertigung für 300 mm-Siliciumwafer errichtet. Der bunte Schmelztiegel ist ein idealer Standort für das multinationale Unternehmen. In Singapur demonstriert WACKER, wie globale Zusammenarbeit par excellence funktioniert. Das deutsch-koreanische Tochterunternehmen Siltronic Samsung Wafer (SSW) wird von einem Amerikaner gemeinsam mit zwei Koreanern und einem Japaner geleitet. Singapur bietet den perfekten Zugang zum wachsenden asiatischen Markt – vor allem zu den Großabnehmern in Taiwan, China, Südkorea, Singapur und Japan: Drei Viertel aller 300 mm-Wafer, die weltweit produziert werden, gehen nach Asien. Ein letztes Stück der reifen, leuchtend orangen Papaya, ein Schluck aus der kühlen Cola-Dose – David Wilhoit hat sein Mittagessen beendet. Der 41-Jährige lehnt sich kurz zurück, schaut in den lichten Raum, in dem es nach Curry, Sojasoße und frischen Früchten duftet. Wilhoit wechselt einige Worte mit einem chinesischen Arbeiter, steht auf und nimmt sein Tablett. Vorbei an langen Tischen, an denen Koreaner, Deutsche, Österreicher, Chinesen, Japaner, Inder und Malaien sitzen, geht der Amerikaner zur Längsseite der Kantine, wo er kurz innehält. „Halal“ und „Non halal“ steht über den Tablettständern angeschlagen, „Für Muslime erlaubt“ und „Für Muslime verboten“ – der muslimische Glaube verbietet nicht nur das Essen von Schweinefleisch, sondern auch das Benutzen eines Tellers oder Tabletts, auf dem dieses angerichtet wurde. In der Kantine der Siltronic Samsung Wafer (SSW) bekommen Besucher einen guten Eindruck von der Besonderheit des deutsch-koreanischen Joint Ventures mit Sitz in Singapur – seinem außergewöhnlichen Mix von Religionen, Nationalitäten und Kulturen. David Wilhoit ist Geschäftsführer des Gemeinschaftsunternehmens, das in der letzten Ausbaustufe mit rund 800 Mitarbeitern monatlich 300.000 der 300 mm-Wafer der neuesten Generation herstellen soll. Die Führung eines Unternehmens mit 13 Nationalitäten, sechs Religionen und mehr als zehn Sprachen und Dialekten erfordert interkulturelles Verständnis, Fingerspitzengefühl und gegenseitiges Einvernehmen bei den gemeinsamen Projekten, erklärt Wilhoit, in dessen schlicht eingerichtetem Büro Fotos seiner Ehefrau und der beiden Töchter in einer Vitrine und eine spiegelglatte Siliciumkugel den einzigen Schmuck bilden. Der Manager ist der richtige Mann für diesen Job – Wilhoit arbeitet seit 18 Jahren bei WACKER, in den USA, Singapur und Japan. Internationale Erfahrung ist unabdingbar, wenn man zwei erfolgreiche Firmen zusammenwachsen lassen möchte. „Der Prozess ist kein Selbstläufer“, erklärt Wilhoit, der sich mit einem interkulturellen Training auf die koreanische Geschäftskultur vorbereitete – und viel dabei lernte. Vertrauen zählt. Wilhoit berichtet zum Beispiel, dass es in der Zusammenarbeit mit Koreanern darauf ankomme, vor konkreten Verhandlungen eine enge Beziehung aufzubauen. „Es gab viele informelle Treffen zwischen den Führungskräften aus Marketing, Finanzen und Technologie, in denen es vor allem um Vertrauen ging.“ Auch heute noch geht das gesamte höhere Management miteinander Minigolf spielen oder veranstaltet ein Golfturnier, wobei die Abteilungen bunt gemischt gegeneinander antreten. „Auf der informellen Ebene lassen sich viele kleine Probleme schnell aus der Welt schaffen“, sagt Wilhoit, der das Unternehmen mit einem japanischen Kollegen von Siltronic und zwei koreanischen Mitarbeitern von Samsung führt. Erst zuhören, dann entscheiden. Was nach einer ständigen Pattsituation in der Führungsspitze klingt, ist in Wilhoits Augen ein Vorteil, um die beiden Unternehmenskulturen enger zusammenzubringen. „Die Aufteilung zwingt uns geradezu, eng zusammenzuarbeiten und nicht Entscheidungen über den Kopf des anderen hinweg zu treffen.“ Dazu müsse man gut zuhören und sich auf die anderen einlassen, erklärt der erfahrene Manager. Meistens fällt das leicht, weil die gleichberechtigten Partner viele Vorteile genießen. Trotz der Schwankungen in der Halbleiter-Industrie könne SSW auch während schlechterer Zeiten die Kapazität der Fabrik ausreichend auslasten, die Kosten niedrig halten und effizient arbeiten, sagt Wilhoit. „Zugleich sind wir so flexibel und schnell, dass wir die Produktion in starken Phasen ausweiten können.“ WACKER und Siltronic sorgen für die sichere Rohstoffversorgung und die Wafer-Technologie, Samsung nimmt einen Großteil der Produktion ab – erstmals arbeiten ein Waferhersteller und ein Halbleiterproduzent so eng zusammen. Voneinander lernen. Den Rest der Produktion verkauft SSW an andere Kunden – auch an Wettbewerber von Samsung. „Wenn man nur einen Kunden hat, bekommt man Scheuklappen“, ist Wilhoit überzeugt. Mit mehreren Kunden kann man den Markt besser beobachten und Marktentwicklungen voraussehen. Auf der anderen Seite erfordert dies besondere Vorkehrungen. „Wir müssen sehr strenge Geheimhaltungsvorschriften erfüllen, damit die geschützten Informationen von Samsung und den anderen Wafer-Kunden sicher sind.“ Auch bei der Gestaltung der Fabrik lernen Samsung und Siltronic voneinander, wobei das Basis-Design der Fabrik auf den großen Erfahrungen der WACKER-Tochter beruht. „Samsung hingegen hat als Partner und zugleich größter Kunde seine Produktionsexpertise eingebracht“, sagt David Wilhoit. Neu für Siltronic sind zum Beispiel ein Overhead Transport System sowie eine Fehlererkennung und -klassifizierung im Rahmen der Prozessautomation. Die Kunden erwarten höchste Produktqualität, die nicht verhandelbar ist. Qualität ist auch ein weiteres Stichwort für die Standortwahl. „Die Ingenieure werden in Singapur sehr gut ausgebildet.“ Wobei der Erfolg der singapurischen Unternehmenspolitik auch eine Kehrseite hat. Weil die Wirtschaft stark wachse, gebe es einen regelrechten „Kampf um die Talente“, erklärt Wilhoit. „Wir tun einiges, um die Leute zu halten, die wir einmal haben.“ Zum Beispiel, indem er neue Mitarbeiter an ihrem ersten Tag persönlich trifft, ihnen die Firmenphilosophie erläutert und sich und das Unternehmen vorstellt. Schmunzelnd erinnert sich der SSW-Chef an eine Vorstellung der besonderen Art. Kurz nachdem er selbst im Unternehmen angefangen hatte, mietete die Firma ein Kino für die Belegschaft. „Wir haben den Film ,Meet Dave‘ mit Eddie Murphy angeschaut“, erzählt David Wilhoit. „Da hat mir keiner geglaubt, dass das Zufall war.“ |
[Segment] Siltronic ist ein Tochterunternehmen der Wacker Chemie AG und einer der führenden Anbieter von Siliciumwafern für nahezu alle großen Chiphersteller. Weltweit arbeiten 5.469 Mitarbeiter bei Siltronic, das 2008 1,36 Mrd. € Umsatz machte. Das EBITDA betrug 357,3 Mio. €. David Wilhoit nutzt im Taxi die Zeit auf dem Weg zur Arbeit. [Expatriates-Strategie] Für viele Führungspositionen entsendet das Unternehmen eigene Mitarbeiter ins Ausland, die auf diese Weise die Märkte besser kennenlernen und sich später mit ihren Erfahrungen in anderen Funktionen bei WACKER einbringen. Die momentan rund 50 Expatriates tragen dazu bei, das interkulturelle Verständnis im Konzern zu vergrößern. Die Tablettrückgabe in der Firmenkantine. [Markt] In den USA und Europa gehen die Produktions kapazitäten für Siliciumwafer zurück, weil die dortigen Märkte schrumpfen. Mit dem Standort Singapur hat Siltronic Samsung Wafer hingegen an der richtigen Stelle investiert: Der asiatische Markt wächst – die dortigen Unternehmen verarbeiten 75 Prozent aller weltweit produzierten 300 mm-Wafer. Moderne und Tradition sind charakteristisch für das Leben in Singapur. [Produkt] Die 300 mm-Wafer, die Siltronic Samsung Wafer herstellt, sind die derzeit größten und fortschrittlichsten Wafer für den Einsatz in der kommerziellen Halbleiter-Produktion. Halbleiterhersteller produzieren mit ihnen Transistoren, Gleichrichter, Mikroprozessoren und Speicherbausteine zum Beispiel für Mobiltelefone, Spielkonsolen oder Computer. |
Schmelztiegel Singapur. Siliciumwafer aus Fernost für den Weltmarkt – hergestellt von einem außergewöhnlichen, multinationalen Team.
12:00 Uhr ...
Singapur