...// 03 InterviewMoskau spielt in der Wirtschaft Russlands eine Schlüsselrolle. In der 15-Millionen-Metropole werden 20 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. WACKER hat dort vor fünf Jahren ein Technical Center eingerichtet, in dem Produktrezepturen für die Bauindustrie unter den klimatischen Bedingungen der Region entwickelt und getestet werden. Seit Ende 2008 ergänzt die VINNAPAS® ACADEMY das WACKER-Angebot in der größten Stadt Europas – im Trainingszentrum für den wichtigen russischen Markt erlangen die WACKER-Kunden theoretisches und praktisches Wissen über die Anwendung von Polymeren in der Bauindustrie. Herr Firsaev, was muss man beherzigen, wenn man Geschäfte in Russland macht?Russen führen Geschäftsgespräche am liebsten Auge in Auge. Das hat hier Tradition. Gespräche am Telefon hingegen machen alles eher kompliziert. Es ist wichtig, eine persönliche Beziehung aufzubauen. Deswegen sind unsere Vertriebsleute quasi ständig unterwegs, weil das Land so groß ist und damit auch unser Markt. Immerhin umfasst unser Gebiet neben Russland auch Weißrussland, die Ukraine und Kasachstan. Unsere Hauptkunden kommen aus der Trockenmörtel-Branche, zu der 150 große Unternehmen gehören, die wiederum rund 200 Fabriken besitzen. Was wünschen russische Kunden?Noch vor einigen Jahren hatten viele Russen das Gefühl, dass ausländische Güter und Materialien besser sind als russische. Wir haben in Russland alles importiert. Das hat sich geändert. Wir haben ein größeres Selbstvertrauen und auch mehr Vertrauen in unsere eigenen Produkte, die wir stark verbessert haben. Das haben die Firmen aus dem Ausland verstanden – sie kommen mit ihren Fabriken nun zu uns, nicht nur beim Trockenmörtel, sondern zum Beispiel auch in der Autoindustrie. Russland ist riesig. Wie groß ist der russische Markt?Der Markt, den WACKER POLYMERS betreut, ist erst vor 20 Jahren mit der Öffnung der damaligen Sowjetunion entstanden. Er beträgt heute ein Viertel bis ein Drittel des deutschen Marktes, wächst aber mit Wachstumsraten von 15 Prozent. Vor allem Wärmedämmverbundsysteme sind gefragt; viele Gebäude stammen aus den 1960er und 1970er Jahren und sind schlecht isoliert. Ansonsten gleicht sich der russische Markt dem deutschen an. Auch bei uns gibt es immer mehr besonders hochwertige Produkte. Aber: In Deutschland liegt deren Anteil bei 80 Prozent, in Russland nur bei 20. Ich denke aber, dass wir in zehn oder 15 Jahren gleichauf liegen werden. Wie kann die VINNAPAS® ACADEMY zu diesem Wachstum beitragen?Wir können nun den steigenden Bedarf an theoretischem und praktischem Wissen zu unseren Produkten decken. In unserem Technical Center konnten wir die Praxis hingegen nur streifen. Meist gab es Gespräche unter vier Augen, was nicht sehr effektiv ist. Jetzt können wir Schulungen standardisiert und in eigenen Räumen anbieten. Unsere Schulungsaktivitäten werden professioneller, effektiver und sie bekommen ein eigenständiges Profil. Warum ist eine eigene VINNAPAS® ACADEMY gerade hier in Moskau wichtig?Die erste Idee zu den Akademien entstand parallel zu den Technical Centern, die WACKER um die Jahrtausendwende geplant und seit einigen Jahren auch realisiert hat. In dieser Zeit hat sich das Unternehmen immer weiter globalisiert. Auf je mehr Märkten WACKER tätig war, umso deutlicher wurden die regionalen Bedürfnisse und Gegebenheiten. In Russland ist zum Beispiel das Klima sehr hart. Wir haben einen langen Winter, von November bis März. Darauf müssen wir die Produkte einstellen. In Moskau stehen zwei Bewitterungs-Testwände und eine Klimakammer zur Verfügung, in der verschiedene Wetterbedingungen simuliert werden können – von tropisch feucht bis hin zu extremem Dauerfrost. Gibt es außer klimatischen Schwankungen andere regionale Unterschiede in Russland?Ja, sehr große sogar. Moskau ist relativ wohlhabend, unsere Kunden fertigen hier Trockenmörtel mit einem großen Anteil an Mehrwert schaffenden Additiven. Die Firmen außerhalb Moskaus wollen hingegen deutlich günstigere Produkte, weil der Markt dort nicht so viel hergibt. Dennoch müssen wir auch für diese Kunden gute Produkte anbieten. Viele kleinere Unternehmen – gerade außerhalb Moskaus – haben zudem keine Reiseetats. Bei ihnen wollen wir Seminare vor Ort abhalten. Dazu müssen sich Technical Center und Akademie aber mit einander austauschen, oder?Ja. Die VINNAPAS® ACADEMY ist an das Technical Center gekoppelt, die Schulungsteilnehmer können sämtliche Einrichtungen nutzen. Außerdem hat die Nähe einen ganz wichtigen kommunikativen Aspekt: Wir können zum Beispiel die Kunden mit dem ihnen zugeordneten Technical Manager und dem Schulungsleiter zu einem gemeinsamen Abendessen zusammenbringen. Dieser Informationsaustausch auf der persönlichen Ebene festigt die Beziehung zu unseren Kunden und hilft uns bei der Lösung von Problemen im Tagesgeschäft ungemein. Geben Sie uns ein Beispiel: Was genau interessiert die Kunden in der Akademie?Weil unsere Kunden vor allem aus der Trockenmörtel-Branche kommen, geht es oft um die chemischen Beimischungen zu diesen Produkten. Wie reagieren Additive mit den anderen Bestandteilen, wie funktionieren sie, welche Mengen sollte man wie verwenden? Wir bieten Seminare für die Ingenieure an, die die Mischungen für die Trockenmörtel entwickeln. Das ist auch deswegen wichtig, weil es in Russland überhaupt erst seit zehn Jahren Kurse an den Universitäten gibt, die sich mit Trockenmörtel beschäftigen. Vorher ging es immer nur um Zement und Beton. Es wird aber auch Seminare für Vertriebsleute oder für unsere Händler geben, die im Ausland verkaufen – besonders in der Ukraine, weil die Manager dort viele tiefgehende Fragen haben, die unsere Vertriebsleute gar nicht beantworten können. Welchen Nutzen hat WACKER von der Akademie?Intern kommen alle Mitarbeiter global auf denselben Know-how-Stand. Extern entsteht eine neue Plattform, auf der sich WACKER und Kunden treffen können, ohne dass es um Verkaufsgespräche geht. Zudem bekommt WACKER mehr Input, mit dem der Konzern die eigenen Produkte weiterentwickeln kann. Außerdem erreichen wir neue Zielgruppen: In den Technical Centern sind vor allem die Techniker zu Gast, in die Akademie können wir das ganze Unternehmen einladen. Nicht zuletzt entstehen Kontakte zum Beispiel zu strategischen Partnern wie Normeninstituten, Ministerien oder Universitäten. In unserem Aufsichtsrat, der die Akademie unterstützt, sitzen Professoren von Universitäten für Bauwesen und Architektur aus Moskau und St. Petersburg, die uns helfen, die Qualität unseres Programms anzuheben. Welchen größeren Herausforderungen muss sich WACKER stellen?Mit unserem sehr präsenten Marktauftritt haben wir in den vergangenen Jahren viel investiert, um den Markt für Dispersionspulver anzukurbeln. Das war nötig, damit sich WACKER als Marktführer etabliert – aber zugleich profitieren davon auch unsere Wettbewerber, weil sie einen bereits vorbereiteten Markt vorfinden, ohne selbst die Kosten dafür tragen zu müssen. Mit der VINNAPAS® ACADEMY haben wir nun etwas Besonderes zu bieten: Wir unterstützen unsere Kunden mit Know-how zu Dispersionspulvern, und damit können sich wiederum unsere Kunden von ihren Wettbewerbern unterscheiden. Herr Firsaev, was macht Sie zu einem guten Schulungsleiter?Durch meine Arbeit im Technical Center habe ich sehr viel von den Kunden erfahren. Ich weiß genau, wo die Probleme liegen und wo die Kunden Beratungsbedarf haben. Die meisten Kunden wollen so viel wie möglich wissen. Vielleicht ist das auch eine besondere Art der Russen – so ähnlich wie bei den Deutschen, die ebenfalls alles ganz genau erklärt haben wollen. Wir danken für das Gespräch. |
[Segment] WACKER ist der größte Hersteller von Dispersionspulvern weltweit. Seit über 50 Jahren produziert der Geschäftsbereich WACKER POLYMERS mit 1.579 Mitarbeitern Dispersionspulver und Dispersionen für die Bauindustrie. Der Umsatz betrug 2008 867,9 Mio. €, das EBITDA 108,9 Mio. €. Die VINNAPAS® ACADEMY liegt nur wenige Metro-Minuten entfernt vom Roten Platz. [Markt] Der Markt, den WACKER POLYMERS in Russland betreut, ist erst vor 20 Jahren mit der Öffnung der damaligen Sowjetunion entstanden. Er beträgt heute ein Viertel bis ein Drittel des deutschen Marktes, wächst aber sehr schnell – mit Wachstumsraten von zehn Prozent. Vor allem Wärmedämmverbundsysteme sind gefragt; viele Gebäude stammen aus den 1960er und 1970er Jahren und sind schlecht isoliert. Dmitrij Firsaev erläutert eine Testanordnung. [VINNAPAS® ACADEMY] Die erste VINNAPAS® ACADEMY wurde im Jahr 2006 in Burghausen gegründet, zunächst um die eigenen Mitarbeiter zu schulen. Ein Jahr später stand das erste Kundenseminar auf dem Programm und die VINNAPAS® ACADEMY in Beijing wurde eröffnet. Im Jahr 2008 folgte Moskau. Geplant sind weitere Schulungszentren, unter anderem in Dubai. Die Kasaner Kathedrale am nördlichen Ende des Roten Platzes. Der Kreml hinter dem Fluss Moskwa. [Technical Center] WACKER betreibt weltweit elf Technical Center: in Adrian/Michigan, Allentown/Pennsylvania, Burghausen, Dubai, Melbourne, Moskau, Beijing, São Paulo, Shanghai, Singapur und Suwon. In den Zentren, die nach neuesten technologischen Standards ausgestattet sind, passen WACKER-Spezialisten die Produkte gemeinsam mit den Kunden an regionale Besonderheiten an. 03. 5 Das moderne Moskau: Ein neues Stadtviertel entsteht mitten im Zentrum. [Eine andere Zeitplanung] Für die russischen Kunden ist eine kontinuierliche Verbesserung ihrer Produkte wegen des besonderen Klimas kaum möglich, erklärt Dmitrij Firsaev. Im Frühling, Sommer und Herbst müssen die Baufirmen ihre Baustellen abwickeln; nur im Winter, wenn draußen kaum gearbeitet werden kann, ist Zeit, sich um Produktinnovationen zu kümmern. 03. 6 – 7 Intensive Arbeit in den neu eingerichteten Seminarräumen. [Produkt] VINNAPAS®-Dispersionspulver basieren überwiegend auf Vinylacetat und Ethylen. Die thermoplastischen und weichmacherfreien Kunststoffe werden Fliesenklebern und Fugenfüllern, mineralischen Putzen, Wärmedämmverbundsystemen, Dichtungsschlämmen, Gips, Reparaturmörtel, Selbstverlaufsmassen und Pulverfarben beigemischt. |
Training für das Riesenreich. Russland ist groß, das Klima extrem, die Kunden anspruchsvoll. Da hilft nur: lernen, lernen, lernen.
15:00 Uhr ...
Moskau, Russland