Innovationsmanagement

Dr. Fridolin Stary leitet den Zentralbereich Forschung & Entwicklung (Foto)
Dr. Fridolin Stary leitet den Zentralbereich Forschung & Entwicklung. Der promovierte Chemiker ist für die Umsetzung der F&E-Strategie verantwortlich. Er ist stolz auf die Kreativität und die hohe fachliche Kompetenz seiner Mitarbeiter. Aus vielen Entwicklungen werden in kurzer Zeit erfolgreiche Geschäfte.

Innovationsmanagement

Herr Dr. Stary, können Sie Kreativität kontrollieren?

Wenn Sie die Kreativität des einzelnen Forschers meinen – nein, die kann man weder kontrollieren noch steuern. Die kollektive Kreativität unserer mehr als 1.000 Forscher lässt sich aber sehr wohl steuern. Es ist ja nicht so, dass wir herumgehen und fragen: Wer hat heute die beste Idee? Unsere Mitarbeiter arbeiten innerhalb klar definierter Projekte und da lässt sich Kreativität sehr wohl in die richtige Richtung lenken. Forschung und Entwicklung mit Methode sind eine sichere Wachstumsquelle für WACKER.

Wer legt fest, woran die Forscher in ihren Labors arbeiten?

Die Grundlage für die tägliche Arbeit ist unsere Innovationsstrategie, aus der sich unser Projektportfolio ableitet. Bevor wir ein neues Projekt starten, wird es bewertet in puncto Technologieposition, potenziellen Umsatzes und Profitabilität. Das heißt auch: Alle Projekte stehen miteinander in Konkurrenz.

Welche Aufgabe haben Sie dabei?

Die wichtigste Entscheidung ist es, zur richtigen Zeit die richtigen Projekte in Angriff zu nehmen und mit den richtigen Ressourcen auszustatten. Unser Innovationsbudget ist zwar mit 3,5 Prozent vom Umsatz für einen Chemiekonzern relativ hoch, aber es lässt sich nicht beliebig ausdehnen. Wir können nicht alles machen. Wenn wir mit einem festen Budget mit mehr Ideen am Markt erfolgreich sein wollen, müssen wir also gut auswählen und gezielt fördern.

Das bedeutet viel Geld für wenige Projekte?

Kreativität lässt sich sehr wohl in die richtige Richtung lenken. Forschung und Entwicklung mit Methode sind eine wichtige Wachstumsquelle.

Das kann man so nicht sagen. Aber Fokussierung geht auf jeden Fall vor Diversifizierung. Das heißt: Wir konzentrieren uns noch mehr auf unsere strategischen Schlüsselprojekte. Dort geht es vorwiegend darum, unsere bestehenden Produktplattformen und Herstellungsprozesse weiter zu verbessern. In diese Schlüsselprojekte fließt etwa ein Viertel des F&E-Budgets. Wir arbeiten aber auch an Themen im Rahmen wichtiger Zukunftstrends, bei denen wir unsere technologischen Kompetenzen zielgerichtet einsetzen können. Photovoltaik zum Beispiel oder Stromspeicherung. Zur Fokussierung gehört es auch, alte Projekte abzuschließen, wenn der wirtschaftliche Erfolg nicht in Sicht ist. Und das ist nicht trivial. Die Mitarbeiter glauben ja an ihre Projekte. Deshalb müssen wir unsere Entscheidungen auch maximal objektiv und transparent treffen.

Dann gehört Frustration zum Forscherdasein?

Ich würde eher sagen, dass wir alle ein gewisses Risiko haben, dass Projekte abgebrochen werden. Das ist auch kein Misserfolg, sondern ganz normal. Ich finde es sogar eher positiv, wenn jemand die Stärke besitzt, zu sagen: Hier komme ich nicht mehr weiter.

Zumal das Tempo auch in der Forschung angezogen hat...

Klar. Noch vor ein paar Jahren waren Entwickler weniger gestresst. Heute sind sie es, denn wirklich gute Lösungen will der Markt sofort. Dazu kommt, dass wir uns heute konsequent nach den Anforderungen von Technologien und Kunden richten müssen. Zum Beispiel, wenn ein führender Chiphersteller festlegt, wann und in welcher Qualität eine neue Generation von Wafern fertig sein muss. Beim Thema Elektromobilität ist das nicht anders. Wir arbeiten mit an der Batterie der dritten Generation. 2014 muss eine industriell realisierbare Lösung da sein. Wenn wir bis dahin nicht fertig sind, wird niemand auf uns warten. Die ultimative Lösung ein Jahr später nützt nichts. Siehe Fokusinnovation

Für besonders wichtige Zukunftsthemen wie die Elektromobilität hat WACKER jetzt Technologiemanager eingestellt. Was ist deren Aufgabe?

Die Technologiemanager kümmern sich um Zukunftstechnologien und Zukunftsmärkte. Sie sollen diese Technologien in ihrer Gesamtheit sowohl technisch als auch wirtschaftlich verstehen und bewerten. Sie ermitteln die Bedürfnisse der Anwender und vergleichen sie mit unseren spezifischen Lösungsmöglichkeiten. Sie bauen Partnerschaften auf, bilden Netzwerke und haben auch intern den Überblick über alle Projekte zum Thema. Sie sind eine Art Marketingmanager für neue Technologien. Bevor wir auch nur einen Euro in die Forschung stecken, wissen wir also ziemlich genau, wie unsere Lösung aussehen muss und welches Potenzial sie hat.

Was sind die Zukunftstechnologien, um die sich die Technologiemanager kümmern?

Neben der Stromspeicherung und Elektromobilität haben wir aktuell noch CSP im Fokus, Concentrated Solar Power. Das sind Solarkraftwerke, in denen das Sonnenlicht zum Beispiel durch Parabolspiegel gebündelt wird. Die gebündelte Wärmeenergie wird auf einen Dampfkreislauf zur Stromerzeugung übertragen, wie bei konventionellen Kraftwerken. Dafür wird ein spezielles Wärmeträgeröl mit sehr hoher Temperaturstabilität benötigt. Wir haben in den letzten Monaten ein Muster für so ein Öl auf Siliconbasis entwickelt, das wir gerade testen. Das Potenzial ist riesig. Ein Kraftwerk braucht bis zu 8.000 Tonnen Wärmeträgeröl. Ohne den Technologiemanager wäre das nie so zielorientiert und schnell gegangen.

Sondern?

Innovationsmanagement heißt, auf die richtige Idee zu setzen.

Früher haben wir Eigenschaften entwickelt und dann nach einem Markt gesucht. Und da waren wir manchmal enttäuscht, dass die Kunden unsere Innovation gar nicht zu schätzen wissen. Weil wir ignoriert haben, dass unsere Kunden von einer neuen Lösung immer auch einen wirtschaftlichen Vorteil erwarten.

Dann sollte der Entwickler also am besten auch BWL studiert haben?

Die technisch-wissenschaftliche Kompetenz steht eindeutig im Vordergrund, aber wir wollen ihn schon von Anfang an mit den ökonomischen Aspekten konfrontieren. Wir brauchen Forscher, die kreativ nach neuen Molekülen suchen, allerdings immer mit der klaren Zielsetzung, dadurch zu einer Lösung zu kommen, die technisch und wirtschaftlich überlegen und damit vermarktbar ist. Außer im Bereich der Grundlagenforschung planen wir nichts, was wir nicht morgen verkaufen können. Siehe Produktinnovation

Das betrifft aber nicht nur neue Produkte...

Auf gar keinen Fall. Wir machen zwar ein Viertel unseres Umsatzes mit neuen Produkten. Aber zuerst einmal müssen wir unsere bestehenden Geschäfte weiterentwickeln. Hier geht es darum, Prozesse besser und billiger zu machen. Daran arbeiten Mitarbeiter aus der Konzernforschung gemeinsam mit solchen aus den Geschäftsbereichen und Anwendungstechnikern.

Wie sieht das konkret aus?

Nehmen Sie das Polysilicium für die Solarindustrie. Da lesen Sie jeden Tag, wie hart der Wettbewerb ist. Auch wir machen nur dann ein gutes Geschäft, wenn wir eine bessere Kostenposition haben als unsere Wettbewerber. Wie das geht? Beim Silicium zum Beispiel mit einem vollständig geschlossenen Kreislauf. Wir können auch die Stoffausbeute noch optimieren. Das Ziel ist null Abfall. Und wir arbeiten daran, die Abscheidung von Silicium energetisch zu verbessern. Mit solchen Innovationen können wir auch in diesem hart umkämpften Markt erfolgreich sein.

WACKER bewegt sich auf globalen Märkten. Wie international muss da die Forschung und Entwicklung sein?

Etwa 800 unserer gut 1.000 Mitarbeiter in der F&E arbeiten in Deutschland. Trotzdem geht auch in der Forschung die Internationalisierung rasant voran. In unseren Technical Centers vor Ort, in China, Indien oder Brasilien, werden Produkte schon an den lokalen Markt angepasst. Daraus ergeben sich auch Anregungen für die Grundlagenforschung. In anderen Ländern gibt es ja auch eine andere Kreativität. Andere Menschen gehen oft pragmatischer an Dinge heran, und das ist willkommen. In Indien hat ein Forscher in einem unserer Gemeinschaftsunternehmen beispielsweise mit Rohstoffen aus Deutschland eine Siliconemulsion für Haarspülungen entwickelt, die mittlerweile weltweit eingesetzt wird. Das zeigt: Nicht immer ist nur die deutsche Lösung die beste.
Siehe Prozessinnovation

Ist das auch ein Schritt in Richtung globales Recruiting?

Natürlich ergeben sich durch unsere Technical Centers Netzwerke vor Ort. Wir lernen die lokale Szene kennen und das ermöglicht uns ein sehr selektives Recruiting. In Deutschland können wir uns ja dank unserer Reputation immer noch die Besten der Besten aussuchen, die wissen, dass wir Innovationsgeist leben.

Ein hoher Anspruch. Woran machen Sie das fest?

Zum Beispiel daran, dass WACKER letzten Juni den Best-Innovator-Award erhalten hat. Die Jury hat besonders gewürdigt, wie stark innovatives Denken und Handeln im gesamten Unternehmen verankert ist. Bei uns versteht vom Vorstand bis in alle Ebenen des Managements jeder noch viel von der Sache. Und das spielt schon eine Rolle, wenn man eine Innovationsstrategie nicht nur haben, sondern auch tatsächlich umsetzen will.

Steckbrief

3,5% unseres Umsatzes investieren wir in Forschung und Entwicklung.

24% unseres Umsatzes haben wir im Jahr 2011 mit neuen Produkten gemacht.

Ausgezeichnete Forschung

  • Der „Thomson Reuters 2011 Top 100 Global Innovator Award“ zeichnete WACKER als eines der innovativsten Unternehmen der Welt aus. WACKER erhielt diese Auszeichnung für seine herausragenden Innovationen und Patente.
  • Für sein nachhaltiges Innovationsmanagement wurde WACKER im Jahr 2011 mit dem Best-Innovator-Award in der Kategorie Chemie ausgezeichnet. Organisatoren des Wettbewerbs, an dem sich über 100 Firmen beteiligt haben, waren die Unternehmensberatung A.T. Kearney und die Zeitschrift „WirtschaftsWoche“.

Stufen im Innovationsprozess

Stufen im Innovationsprozess (Grafik)

5-Jahresvergleich Mitarbeiter in F&E

5-Jahresvergleich Mitarbeiter in F & E (Liniendiagramm)

179 Forscher haben sich seit 2006 um den Alexander Wacker Innovationspreis beworben.

WACKER arbeitete im Jahr 2011 bei rund 64 Forschungsvorhaben mit mehr als 25 internationalen Forschungseinrichtungen zusammen. Wir haben im Jahr 2011 rund 66 Abschlussarbeiten an 33 internationalen Hochschulen beauftragt. Zusätzlich haben wir in den  5  Jahren seit Gründung des Instituts für Siliciumchemie an der Technischen Universität München insgesamt 44 Stipendiaten gefördert, darunter  5  Post-Docs. Bislang haben 25 unserer Stipendiaten ihre Doktorarbeiten abgeschlossen. 14 Stipendiaten arbeiten derzeit an ihren Dissertationen.