Einleitung

Wir leben in einer Zeitenwende: Der wirtschaftliche Mittelpunkt der Welt verschiebt sich von West nach Ost. Das 21. Jahrhundert ist das asiatische Jahrhundert. Davon profitiert auch Europa. Gerade deutsche Innovationsführer finden neue Partner und Märkte in den Wachstumszentren in Fernost.

Jeder Traum lässt sich verwirklichen, wenn man nur fest genug daran glaubt und hart arbeitet: Dieser Grundgedanke des „American Dream“ ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch zum „Chinese Dream“ geworden. Eine Modellstadt für diesen Optimismus und Zukunftsglauben wächst an einem der östlichsten Küstenzipfel Chinas aus dem Boden. Wo vor zehn Jahren noch ein paar Fischerdörfer dösten, entsteht Lingang New City nach einem Masterplan des Hamburger Architekten Meinhard von Gerkan. Eine „Idealstadt“ für 800.000 Einwohner aus der creative class. Bildung, Forschung, Handel, Konferenzen sollen Lingang bald mit Leben füllen. „Wir träumen davon, die Zukunftsstadt Chinas zu errichten“, sagt Gu Xiaoming, einer der führenden Funktionäre für den Aufbau der neuen Planstadt. Aus Lingang am Rande des Stadtbezirks Pudong, des Handelszentrums Shanghais, führt eine 32 Kilometer lange sechsspurige Brücke hinaus aufs Meer. Am anderen Ende: der Tiefwasserhafen Yangshan, Teil des Hafens von Shanghai, dem größten Container-Umschlagplatz der Welt.

Noch sind die Straßen Lingangs fast leer. Erst schätzungsweise 60.000 Menschen leben in der Stadt. Eine rare Momentaufnahme im neuen Land der unbegrenzten Möglichkeiten: „Ich erinnere mich, wie man uns, als in Pudong noch Felder überwogen, ein Stadtplanungskonzept präsentierte mit zahlreichen Hochhäusern, Parks und anderen Einrichtungen“, so der auf Schwellenländer spezialisierte Fondsmanager Mark Mobius. „Damals hielten wir das für einen unerfüllbaren Wunschtraum. In Pudong ist dieser Traum inzwischen Wirklichkeit geworden.“

Auch in Lingang dürften Träume wahr werden. Fast alle gebauten Appartements sind bereits verkauft. Die Besitzer warten darauf, dass die Stadt fertig wird. 2020 soll es so weit sein. Eine wichtige Etappe wurde im Dezember 2013 genommen: Lingangs Anschluss ans Metronetz Shanghais. Bereits im September 2013 wurde in Pudong eine Freihandelszone eingerichtet, die Erinnerungen an Deng Xiaopings Sonderwirtschaftszonen weckt, jene Kristallisationskerne des chinesischen Wirtschaftswunders seit den Reformen 1978.

Lingang steht für die prägenden Entwicklungen des Landes in den vergangenen drei Jahrzehnten: Urbanisierung und ökonomischer Aufschwung. Beides geschieht in einer Geschwindigkeit und in einem Umfang, die atemberaubend sind. Die Zahl der Stadtbewohner ist von 172 Millionen im Jahr 1981 auf über 700 Millionen im Jahr 2013 gestiegen. Weitere 300 Millionen Chinesen, so die Prognosen, werden in den kommenden zehn Jahren in Städte ziehen – die es teils vor kurzem noch gar nicht gab. Alle zwei Jahre entsteht in China so viel Wohnfläche, wie in Deutschland insgesamt existiert.

Seit 1978 hat sich das jährliche Pro-Kopf-Einkommen auf 6.000 US-Dollar verdreißigfacht. Im Jahr 2009 löste China Deutschland als Exportweltmeister ab, im Jahr darauf überholte es Japan als zweitgrößte Volkswirtschaft. Heute kommen drei der zehn umsatzstärksten Unternehmen der Welt aus China, mehr als aus Japan oder den USA. In den Fortune Global 500 der weltgrößten Firmen wurden vor fünf Jahren 34 chinesische Firmen gelistet, inzwischen sind es bereits 89. Möglicherweise, so eine Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers, wird China die USA bereits in drei Jahren als führende Weltwirtschaftsmacht ablösen.

„Heute ist China fast zur Gänze eine einzige Sonderwirtschaftszone geworden“, schreibt Altkanzler Helmut Schmidt in seinem neuen Buch „Ein letzter Besuch – Begegnungen mit der Weltmacht China“. Das Land vollziehe nun, was in Japan schon im 19. Jahrhundert begann: das Auf- und Überholen westlicher Länder in Wissenschaft und Wirtschaft sowie beim Lebensstandard binnen weniger Jahrzehnte. Einzelne Evolutionsschritte werden im Zeitraffer durchlaufen. Oder gleich ganz übersprungen.

Im November 2013 beschloss die Kommunistische Partei, weitere Freihandelszonen einzurichten, die Binnennachfrage zu stimulieren und dem Markt künftig eine „entscheidende“ Rolle in der chinesischen Wirtschaft einzuräumen. Das Wachstum Chinas kühlt sich ab, doch es wird nachhaltiger, exportunabhängiger, innovationsbasierter, hochqualitativer. Schon heute verbinden beispielsweise 10.000 Kilometer Hochgeschwindigkeits-Zugstrecken die Metropolen, mehr als in ganz Europa. Weitere 10.000 Kilometer sind geplant. Die Schnellzüge dafür baut China inzwischen selbst. Die 2.300 Kilometer lange Direktverbindung zwischen Peking und Guangzhou legen sie, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 300 km/h, in rund acht Stunden zurück.

Die wachsende Binnennachfrage und der zunehmende Wohlstand der Mittelschicht stimulieren in China den Bedarf nach Produkten von hoher Qualität.

Zwei zerstörte Autos zeigen, wie chinesische Unternehmen die Qualitätsleiter nach oben hasten. Nur fünf Jahre ist es her, dass ein Modell des chinesischen Herstellers Brilliance beim Crashtest regelrecht zerschellte: null von fünf Sternen. Als im Herbst 2013 ein Modell der neuen Shanghaier Marke Qoros antrat, erreichte es die Bestnote und übertraf dabei den VW Golf. „Made in China“ wird es ergehen wie zuvor „made in Japan“ und „made in Germany“: vom Warnhinweis zum Qualitätssiegel.

Auf der Produzenten- wie auf der Konsumentenseite wandelt sich das Reich der Mitte zunehmend zu einem Reich der gehobenen Mittelklasse. Seit 2012 ist China der wichtigste Markt für BMW, Audi, Mercedes und Porsche. Die vier Marken verkauften 959.000 Neuwagen – mehr als neun Mal so viele wie noch 2005. Schon heute kaufen Chinesen mehr Luxusgüter als die Europäer oder die Amerikaner. Manchmal kaufen sie auch gleich die Firma dahinter. Volvo aus Schweden, der italienische Yachthersteller Ferretti sowie die Schweizer Uhrenmarken Eterna und Corum sind alle in chinesischem Besitz.

Löhne und Lebensstandard steigen – und damit auch die Herstellungskosten. Mangels bezahlbarer Arbeitskräfte verlegen sich immer mehr Firmen auf eine automatisierte Produktion. Allein Apple-Auftragsproduzent Foxconn, der in China über eine Million Menschen beschäftigt, will in den kommenden Jahren mehrere hunderttausend Roboter zum Einsatz bringen. Die Werkbank der Welt wandert weiter. Nach Vietnam und Indonesien, nach Kambodscha und Bangladesch.

Der Aufschwung, dessen Gravitationszentrum China ist, ist asienweit zu spüren. Er wird den wirtschaftlichen Mittelpunkt der Welt im 21. Jahrhundert von West nach Ost verschieben. Sieben der zehn größten Metropolregionen liegen schon heute in Asien – im Jahr 1980 waren es lediglich vier. Die zehn größten Containerhäfen der Welt? Sieben in China, einer in Singapur, einer in Korea. Die innovativsten Länder? Im Jahr 2011 kam bereits rund die Hälfte der Patentanmeldungen weltweit aus Japan, Südkorea und China. „Wir sind Zeugen einer historischen Wende, die sich noch im Frühstadium befindet, die aber das Bild der Welt verändern wird“, schreibt der britische Journalist Martin Jacques in seinem Bestseller „When China rules the World“.

Diese Wende zeigt sich vor allem bei den zehn Mitgliedsländern der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN). Malaysia, Singapur, Indonesien, die Philippinen, Thailand, Kambodscha, Laos, Vietnam, Myanmar und Brunei bilden die derzeit am schnellsten wachsende Wirtschaftsregion der Welt.

Millionenstädte in Asien

In den USA hat nur New York City mehr als acht Millionen Einwohner. Deutschlands größte Stadt Berlin hat nur 3,5 Millionen Einwohner. In Asien, dem einwohnerstärksten Kontinent, findet man mehr als 23 Städte, die mehr als vier Millionen Einwohner zählen, davon zwei unter den Top 3 der Welt (Platz 1 Mexiko-Stadt mit 19,9 Millionen).
Mio.

23,7

Shanghai, China

21,1

Peking, China

12,5

Mumbai, Indien

13,1

Tokio, Japan

Prozentualer Umsatzanteil wichtiger Branchen von WACKER in Asien

Prozentualer Umsatzanteil wichtiger Branchen von WACKER in Asien (Tortendiagramm)Prozentualer Umsatzanteil wichtiger Branchen von WACKER in Asien (Tortendiagramm)

Chemieinvestitionen weltweit

Nach Angaben des europäischen Chemieverbandes Cefic sind zuletzt gut zwei Drittel der weltweiten Chemieinvestitionen von insgesamt 374 Milliarden US-$ nach China und in die anderen Länder der Region Asien geflossen, womit sie die Spitzenposition eingenommen haben. Vor zehn Jahren waren es erst gut 40 Prozent der weltweiten Ausgaben für neue Chemieanlagen und Kapazitätserweiterungen, die in die Region Asien investiert wurden.

Chemieinvestitionen weltweit (Tortendiagramm)Chemieinvestitionen weltweit (Tortendiagramm)

Vom Entwicklungsland zur Hightech-Nation: Südkorea ist Weltmarktführer für Handys, Speicherchips und Flüssigkristallbildschirme.

In den vergangenen sechs Jahren hat sich das ASEAN-Bruttoinlandsprodukt auf rund 2.500 Milliarden US-Dollar verdoppelt. In den kommenden sechs Jahren, urteilt der Wirtschaftsinformationsdienst IHS, könnte sich das noch einmal wiederholen.

Turbolader dieser Wachstumsrallye könnten die geplanten Freihandelszonen werden. Schon 2015 soll die ASEAN-Region ein integrierter Wirtschaftsraum sein. Derweil laufen bereits Verhandlungen für ein weiteres Freihandelsabkommen zwischen den ASEAN-Staaten und ihren asiatisch-pazifischen Nachbarn Australien, China, Indien, Japan, Neuseeland und Südkorea – ein Wirtschaftsraum, der mehr als drei Milliarden Menschen umfasst. Zwei Märkte, die riesigen aufgehenden Sonnen gleichen, prägen diese Entwicklung: China und Indien. Daneben gibt es eine Reihe kleinerer, aber ebenfalls stark wachsender Sterne.

Wohin Asiens Weg führen wird, lässt sich heute schon besichtigen: Singapur mutierte nach seiner Unabhängigkeit 1965 zum Tigerstaat. Innerhalb weniger Jahrzehnte schaffte das unter Massenarbeitslosigkeit leidende Entwicklungsland mithilfe eines wirtschaftlich innovationsfreudigen, dabei politisch autoritären Staatskapitalismus und einer rigiden Korruptionsbekämpfung den Sprung zu einer der wohlhabendsten, modernsten Gesellschaften der Welt. Eine junge Frau, die diesen Aufstieg verkörpert, ist die 31-jährige Daphne Tang. „Mein Großvater war aus der südchinesischen Provinz Guangdong nach Singapur ausgewandert“, erzählt die junge Frau. „Er war völlig mittellos, verdingte sich in der neuen Heimat als Bauarbeiter.“ Daphne Tangs Vater wurde Koch in einem Straßenrestaurant. Sie selbst studierte Informatik und bekam einen Job als Senior Application Consultant bei NCS, dem größten IT-Dienstleister Singapurs.

Im Unabhängigkeitsjahr 1965 lag Singapurs Bruttosozialprodukt bei knapp einer Milliarde US-Dollar, 2012 bei 277 Milliarden. Heute hat Singapur eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Nirgendwo ist die Millionärsdichte höher. Es gibt nur zwei Casinos, doch die erwirtschafteten 2012 einen Umsatz von rund sechs Milliarden US-Dollar, mehr als alle Casinos von Las Vegas zusammen. Die Infrastruktur und das Bildungsniveau sind vorbildlich. Im aktuellen „Times“-Ranking der besten Hochschulen liegt die National University of Singapore auf dem 26. Platz. Die beste deutsche Universität, die LMU München, folgt erst auf Rang 55. Premierminister Lee Hsien Loong kündigte an, dass der Hafen, mit gut 30 Millionen Tonnen Container-Jahresumsatz der zweitgrößte der Welt, in absehbarer Zeit stillgelegt wird. An anderer Stelle soll ein neuer Hafen entstehen, mehr als doppelt so groß wie der bisherige. Ebenfalls in Planung ist eine Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindung – 330 Kilometer, 90 Minuten – in die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur.

Die Städte des aufstrebenden Asiens orientieren sich an Singapur und versuchen, die dort erfolgreichen Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung zu implementieren. Einige chinesische Städte werden sogar von Singapur mitentwickelt: der Industrial Park in Suzhou etwa oder Knowledge City in Guangzhou, eine stadtplanerische Vision für den mittelfristigen Übergang Südchinas von der Werkbank zur Wissensgesellschaft. Auch Malaysia, von dem Singapur sich einst abnabelte, steht der Entwicklungssprung zu einer wissens- und innovationsbasierten Wirtschaft bevor. In der globalen Rangliste der Wettbewerbsfähigkeit, die das Weltwirtschaftsforum jährlich veröffentlicht, steht es bereits vor Irland, Spanien und Italien.

Ein weiterer Leuchtturm für das neue Asien ist Südkorea. Wie Singapur gelang dem Land auf Basis eines langfristig denkenden Staatskapitalismus und mit eiserner Disziplin erst der Sprung zu einer industrie- und schließlich IT- und innovationsbasierten Wirtschaft. Auch hier wurde Wissen als wertvollster Rohstoff und somit Bildung als zentrale Aufgabe des Staates wahrgenommen. Wichtige südkoreanische Akteure waren und sind dabei die Jaebeols – große, staatsnahe, oft familiengeführte Wirtschaftskonglomerate wie Samsung, LG Electronics oder Hyundai, die in alle Welt exportieren.

US-Präsident Barack Obama erhob das Land wiederholt zum Muster für Entwicklungsländer: „Als mein Vater zum Studieren in die Vereinigten Staaten kam, war Kenia wohlhabender als Südkorea.“ Das war 1959. Heute ist das südkoreanische Pro-Kopf-Einkommen 18 Mal so hoch wie das kenianische. Südkorea ist das erste Land, das sich vom Entwicklungshilfeempfänger der OECD zu deren Geldgeber aufschwingen konnte. Das Land ist Weltmarktführer für Handys und Speicherchips. Auch im Schiffbau und bei der Produktion von Flüssigkristallbildschirmen beherrscht das Land den globalen Markt mit einem Anteil von je 51 Prozent. Samsung Electronics, 1969 gegründet, ist inzwischen der größte Elektronikkonzern der Welt.

Das Land ruht sich nicht auf seinen Erfolgen aus. Derzeit ist in Südkorea ein Strukturwandel zu beobachten – wenn China sich neu erfindet, müssen das auch seine Nachbarn tun. In der Automobil-, der Elektronik- oder der Kommunikationsbranche etwa werden chinesische Hersteller in absehbarer Zeit eine immer wichtigere Rolle spielen, mit einem gigantischen Heimatmarkt im Rücken. Zu Südkoreas neuen Wachstumsbranchen gehören Biotechnologie, Medizintechnik, Nanotechnologie und Batterien für Elektroautos.

In Indien stehen Entwicklungssprünge wie in Südkorea, Singapur und China noch bevor, trotz teils schon beachtlicher Wachstumsraten von über neun Prozent in den vergangenen Jahren. Reformstau, ausufernde Bürokratie und eine unzureichende Infrastruktur gelten als Haupthemmnisse. Sie haben dazu beigetragen, dass Indien in den zurückliegenden zwei Jahren eine Verschnaufpause einlegte, während der die Wirtschaft nur noch etwa fünf Prozent jährlich wuchs.

Bemerkenswert ist, wie gut das Land sich bislang trotz der bescheidenen Infrastruktur entwickelt hat. Indien, stellt die Bank HSBC in einer Analyse erstaunt fest, habe es „geschafft, ohne den Infrastruktur-Fokus anderer asiatischer Länder zu wachsen“. Doch der aktuelle Fünfjahresplan der Regierung sieht nun vor, dass bis 2017 rund 1.000 Milliarden US-Dollar in die Infrastruktur fließen. Das wohl ambitionierteste Einzelprojekt ist der 1.500 Kilometer lange Delhi-Mumbai Industrial Corridor, der die politische Hauptstadt Delhi und das wirtschaftlichen Herz Mumbai mit einer Hochgeschwindigkeitszugstrecke verbindet. In dem Korridor sollen zwei Dutzend neue Städte entstehen – modern, ökologisch durchdacht, mit exzellenter Verkehrsanbindung und Breitband-Internetanschluss.

Indiens Zentralbankchef Raghuran Rajan glaubt, dass sein Land bald Tempo aufnehmen und die Wachstumsraten Chinas übertreffen werde: „Indien muss nur noch seine Infrastruktur mit derselben Disziplin ausbauen, wie das die Chinesen gezeigt haben.“ Das im Vergleich zu China noch sehr niedrige Pro-Kopf-Einkommen, eine verhältnismäßig junge Bevölkerung mit wachsender Konsumkraft und ein hoher Bildungsstand bei der aufstrebenden, 300 Millionen Menschen zählenden Mittelschicht geben tatsächlich Anlass zu optimistischen Prognosen.

Die indische Wirtschaftsleistung, derzeit halb so groß wie die Europas, wird nach Einschätzung der OECD bis 2030 zu Europa aufschließen und 2060 bereits doppelt so groß sein. Noch dieses Jahr wird Indien die USA als zweitgrößte Internetnation nach China ablösen. Voraussichtlich 2020 wird es der drittgrößte Automarkt der Welt sein, nach China und den USA.

Das asiatische Jahrhundert hat demnach schon lange begonnen. Auch für die Europäer ist der „Ferne Osten“ längst nahe gerückt. Große Teile der deutschen Industrie wären ohne die Märkte in Ost-, Südost- und Südasien gar nicht mehr vorstellbar. Volkswagen etwa spricht von China bereits als seinem „zweiten Heimatmarkt“. Die deutsche Wirtschaft eilt von Rekord zu Rekord – allein im Oktober 2013 wurden Waren im Wert von 99,1 Milliarden Euro exportiert, mehr als je zuvor in einem Monat. Das verdankt sie zu einem Gutteil dem wachsenden Interesse ihrer asiatischen Abnehmer, Kunden und Partner.

Für deutsche Unternehmen wächst, wenn immer mehr asiatische Firmen die Wertschöpfungskette hinaufwandern, Konkurrenz heran. Andererseits finden gerade Deutschlands wichtigste Exportgüter, nämlich Maschinen, Kraftfahrzeuge und chemische Produkte, in Asien reißenden Absatz. Zwischen 1990 und 2012 nahm der asiatische Anteil an Deutschlands Exporten von 7,1 auf 13 Prozent zu. Diese Entwicklung dürfte sich, wenn die deutschen Unternehmen ihrer Rolle als Innovationsführer und Qualitätsgaranten treu bleiben, in den nächsten Jahren fortsetzen. Denn sie gehören zu den wichtigsten Ausrüstern des asiatischen Aufschwungs. Noch ist Frankreich der wichtigste bilaterale Handelspartner Deutschlands. Spätestens 2030, so die Prognose einer aktuellen Studie des Forschungsinstituts Oxford Economics, wird China diese Rolle einnehmen.