Die Jahre 2009 und 2010 waren für WACKER Jahre mit zwei Gesichtern. Während 2009 davon geprägt war, das Unternehmen stabil durch die Wirtschaftskrise zu navigieren, erzielte WACKER im Jahr 2010 bei Umsatz und Ergebnis neue Höchstmarken. Unabhängig aller konjunkturellen Schwankungen hat das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsarbeit fortgesetzt. Ein Gespräch mit dem WACKER-Vorstandsvorsitzenden Dr. Rudolf Staudigl und Auguste Willems, zuständig im Vorstand für das Thema Nachhaltigkeit.
Nachhaltig zu wirtschaften ist nicht nur eine Verpflichtung – es bietet Chancen fürs Geschäft. Dr. Rudolf Staudigl
(links) im Gespräch mit Auguste Willems.
Herr Dr. Staudigl, WACKER hat mit den Jahren 2008 bis 2010 bewegte Zeiten erlebt. Wie wirkte sich die Wirtschaftskrise auf das Nachhaltigkeitsengagement des Unternehmens aus?
Dr. Rudolf Staudigl Unternehmen wie WACKER, die nachhaltig handeln, haben die Krise am besten überstanden. Wir haben vor allem darauf geachtet, unsere Liquidität hochzuhalten und keine zusätzlichen Verbindlichkeiten anzuhäufen – einfach weiterhin solide zu wirtschaften. Wir haben unsere strategischen Investitionen – in manchen Fällen vielleicht etwas gebremst – weitergeführt. Da, wo es nötig war, haben wir das Instrument der Kurzarbeit genutzt, um unsere hoch qualifizierten Mitarbeiter nicht zu verlieren. Das hat sich beim schnellen Hochfahren der Produktion mehr als ausgezahlt. Zusätzlich verzichteten unsere Mitarbeiter auf einen Teil ihres Gehalts.
Auguste Willems Unsere Geschäftsstrategie basiert auf langfristigen, nachhaltigen Trends. Deshalb sind wir sehr schnell nach der Krise wieder gewachsen, weil diese Trends weiterhin gültig sind.
Dr. Rudolf Staudigl Richtig. Aber Schwankungen wird es immer geben. Nachhaltigkeit in der Geschäftstätigkeit heißt auch, solche Schwankungen managen zu können. Dafür ist es wichtig, eine solide Basis und klare Richtung zu haben. WACKER hat die Vision, einen unverzichtbaren Beitrag zu Fortschritt und nachhaltiger Entwicklung zu leisten. Und wir sind davon überzeugt, dass wir nur dann dauerhaft erfolgreich wirtschaften, wenn wir unsere Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft ernst nehmen. Daher ist Nachhaltigkeit ein Ziel, das seit Jahren in unserer Produktion und unseren Geschäftsprozessen verankert ist.
Herr Willems, wie hat sich das Nachhaltigkeitsmanagement in den letzten zwei Jahren bei WACKER entwickelt?
Auguste Willems Zunächst einmal ist unsere Maxime gleich geblieben: Bei all unserem Tun wollen wir ökonomische, ökologische und soziale Faktoren in Einklang bringen. Unser Unternehmen wird immer internationaler. Um überall im Konzern die gleichen Standards zu etablieren, haben wir unsere Prozesse auf die Globalisierung ausgerichtet. Das Projekt „Global EHS Excellence“ ist ein gutes Beispiel dafür. Die Steuerung von Umwelt, Gesundheit, Sicherheit und Produktsicherheit gestalten wir nun weltweit einheitlich. Damit haben wir übrigens die größte Herausforderung bearbeitet, die uns die Zielgruppen bei der Stakeholderbefragung 2008 genannt haben: gleiche soziale und ökologische Standards an allen Standorten. Im Jahr 2011 haben wir die Abteilung Corporate Sustainability gegründet. Mit ihr richten wir unsere Nachhaltigkeitsarbeit konzernübergreifend und über die gesamte Wertschöpfungskette aus.
Selbstverpflichtungen der Wirtschaft werden von Kritikern oft als Lippenbekenntnisse bezeichnet. Welche Selbstverpflichtungen ist WACKER eingegangen, und wie wichtig sind sie für das Unternehmen?
Auguste Willems Unabhängig von offiziellen Initiativen haben wir eine große Selbstverpflichtung: das Unternehmen nachhaltig zu entwickeln. Die Initiativen, denen wir uns angeschlossen haben, spiegeln unsere Überzeugungen wider. WACKER hat sich von Anfang an in der weltweiten Initiative der chemischen Industrie, Responsible Care, engagiert. Das Ziel von Responsible Care, mehr zu tun, als die Gesetze vorschreiben, ist tief in unserem Unternehmen verankert. Vor einigen Jahren haben wir uns auch der UN-Initiative Global Compact verschrieben. Wir setzen die zehn Prinzipien des Global Compact um. Das heißt, wir schützen die Menschenrechte, die Sozial- und Umweltstandards und bekämpfen Korruption. Das geht so weit, dass wir auch unsere Lieferanten auf diese Prinzipien verpflichten.
Dr. Rudolf Staudigl Stichwort Korruptionsbekämpfung: Wir haben unser Netzwerk von Compliance-Beauftragten weltweit ausgebaut und unsere Mitarbeiter intensiv in rechtlich und ethisch korrektem Verhalten geschult.
Nachhaltig zu wirtschaften ist nicht nur eine Verpflichtung – es bietet Chancen fürs Geschäft.
Dr. Rudolf Staudigl Und das sind viele für WACKER. Wie schon gesagt, haben die Nachhaltigkeitstrends großen Einfluss auf unsere Geschäftsstrategie. Ganz oben steht dabei das Thema Energie. Egal ob Energie erzeugen, sparen oder speichern. WACKER ist dabei. Wir sind Kosten- und Qualitätsführer in der Herstellung von polykristallinem Silicium, dem wichtigsten Rohstoff für Solarmodule. Deshalb profitieren wir von dem Wachstum dieser alternativen Energiegewinnung. Ein anderes Beispiel sind Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen, etwa Biopolymere oder die Natural Fiber Composites. Von diesen Beispielen gibt es viele.
Produkte sind die eine Seite der Nachhaltigkeitsleistung eines Chemieunternehmens, die andere sind die Herstellverfahren. Welche Erfolge hat WACKER auf diesem Gebiet 2009/2010 erzielt?
Auguste Willems Ich möchte das gar nicht auf die vergangenen zwei Jahre beschränken. Produktivität ist ein zentrales Thema bei WACKER. Deshalb haben wir schon vor einigen Jahren das Programm „Wacker Operating System“ ins Leben gerufen mit dem Ziel, mehr Output mit weniger Input zu schaffen. Wir beschäftigen uns ständig damit, wie wir Rohstoffe effizienter einsetzen oder den Energieverbrauch senken können. Hier haben wir mit unserer Verbundproduktion einen großen Vorteil. Wir produzieren in weitgehend geschlossenen Stoff- und Energiekreisläufen. Nebenprodukte aus einem Produktionsschritt verwenden wir als Ausgangsmaterial für weitere chemische Prozesse. Genauso nutzen wir die Abwärme eines Verfahrens für weitere Produktionsverfahren. Das spart Kosten und verringert den Energie- und Ressourcenverbrauch. Eine Verbundproduktion ist niemals fertig – wir finden immer wieder Möglichkeiten, sie noch besser zu machen. Aber wir bleiben nicht beim Verbund stehen. Wir schauen über unseren Werkzaun hinaus. Nur ein Beispiel: Seit letztem Jahr liefern wir entwässerten Kieselsäureschlamm an die Zementindustrie. Der Schlamm ist für uns Abfall, enthält aber viel Siliciumdioxid, der sich wunderbar als Zusatzstoff für Zement eignet.
Herr Dr. Staudigl, mit der Zahl der Arbeitsunfälle sind Sie nicht zufrieden. Was unternimmt WACKER, um die Unfallhäufigkeit nachhaltig zu senken?
Dr. Rudolf Staudigl Das stimmt. Wir haben im vergangenen Jahr 4,3 Arbeitsunfälle pro eine Million Arbeitsstunden gezählt. Das sind zwar weniger als der Durchschnitt der Chemieunternehmen in Deutschland, aber mehr als im internationalen Vergleich mit Unternehmen, an denen wir uns messen. Die meisten Unfälle sind dabei nicht chemietypisch. Sie passieren aus Unachtsamkeit – durch Stolpern, Rutschen oder Stürzen. Um Unfälle zu vermeiden, haben wir im vergangenen Jahr das Programm WACKER Safety Plus gestartet. Es nutzt Sicherheitselemente von Standorten mit sehr niedrigen Unfallzahlen. Vor allem von unseren ausländischen Standorten können wir hier eine Menge lernen. Sie haben sehr wenige Unfälle.
Die Menschen werden immer älter – auch die Belegschaft von WACKER. Wie begegnet das Unternehmen dem demografischen Wandel?
Dr. Rudolf Staudigl Glücklicherweise sind die Menschen heute im Alter gesünder und leistungsfähiger als noch vor 30 oder 40 Jahren. Das nimmt dem demografischen Wandel die Spitze. Aber wir haben vor allem in Deutschland das Problem, dass weniger junge Leute nachrücken. Wir haben uns zehn strategische Ziele gesetzt, um innovations- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Zwei Beispiele: Zum einen wollen wir die Gesundheit unserer Mitarbeiter fördern und sie leistungsfähig halten. Und das andere ist, dass wir Talente, vor allem aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften, verstärkt von außen ins Unternehmen holen wollen. WACKER ist ein attraktiver Arbeitgeber. Das hat auch die Reputationsanalyse im vergangenen Jahr bestätigt. Die Mitarbeiter bringen uns großes Vertrauen entgegen. Sechs von zehn Mitarbeitern sind echte Botschafter für WACKER. Das ist ein sehr hoher Wert im Vergleich zu anderen Unternehmen in Deutschland.
WACKER engagiert sich auch sozial. Welche Projekte haben Sie in den vergangenen zwei Jahren unterstützt?
Dr. Rudolf Staudigl Bevor wir auf die Projekte eingehen: Das sozialste Unternehmen ist ein erfolgreiches Unternehmen. Weil es gute Gehälter zahlen kann und stabile Arbeitsplätze bietet. Klar ist aber auch, dass Unternehmen nicht nur lokal soziale Verantwortung haben, sondern auch „Global Citizen“, globale Bürger sind. Deswegen unterstützen wir auch die Ärmsten der Armen weltweit.
Auguste Willems Der Schwerpunkt unserer Stiftung, des WACKER HILFSFONDS, liegt auf dem Wiederaufbau zerstörter Regionen nach Naturkatastrophen. Mit Spenden der Mitarbeiter und des Unternehmens haben wir beispielsweise eine Grundschule in der chinesischen Provinz Sichuan nach dem Erdbeben 2008 wieder hergestellt. Im vergangenen Jahr haben wir ein Projekt von Don Bosco auf Haiti ausgewählt. Auch hier helfen wir, eine zerstörte Schule neu zu errichten. Und in Pakistan fördern wir nach den Überschwemmungen im Jahr 2010 mit dem Malteser Hilfsdienst ebenfalls den Aufbau einer Grundschule. In Deutschland unterstützen wir an unserem Münchner Standort das Kinderwerk Die Arche.
Wenn Sie ein Fazit ziehen: Wie schätzen Sie die Nachhaltigkeitsleistung von WACKER in den Jahren 2009/2010 ein?
Dr. Rudolf Staudigl Die nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens ist ein kontinuierlicher Weg. Ich denke, wir haben in den letzten zwei Jahren wieder ein großes Stück dieses Weges zurückgelegt. Wichtig ist, dass wir das Thema weiter in unserer Unternehmenskultur verankern und stärken.
Dr. Rudolf Staudigl |
Auguste Willems |