2012 war wie erwartet ein herausforderndes Geschäftsjahr für unser Unternehmen. Den größten Einfluss auf die Entwicklung von WACKER hatte dabei das Geschäft mit Polysilicium für die Photovoltaikindustrie. Obwohl wir im vergangenen Jahr so viel Polysilicium wie nie zuvor an unsere Kunden ausgeliefert haben, hat der deutliche Preisrückgang von 50 Prozent innerhalb eines Jahres den Konzernumsatz und das EBITDA maßgeblich gebremst. Dazu kamen Mengen- und auch Preisrückgänge im Halbleitergeschäft. Insgesamt haben Preiseffekte den Konzernumsatz um über 700 Millionen Euro gemindert. Das Wachstum und die höhere Ertragskraft in unserem, über das gesamte Jahr hinweg stabilen Chemiegeschäft konnten das nicht vollständig ausgleichen. Mit 4,63 Milliarden Euro liegt der Umsatz sechs Prozent unter dem Vorjahr. Das EBITDA fiel mit 787 Millionen Euro um 29 Prozent geringer aus.
Im vergangenen Jahr habe ich Ihnen an dieser Stelle ausführlich beschrieben, was auf dem weltweiten Photovoltaikmarkt seit zwei Jahren passiert. Der Bereinigungsprozess hat sich im Jahr 2012 fortgesetzt mit all den negativen Begleiterscheinungen, die eine solche Situation mit sich bringt: hohe Lagerbestände, starker Preisdruck, die schwierige finanzielle Lage bei Kunden, Unternehmensinsolvenzen und Überkapazitäten in der gesamten Wertschöpfungskette.
Dieser kritischen Marktsituation sind wir mit einer Reihe von Maßnahmen begegnet. Die wichtigste Entscheidung war dabei, den Produktionsstart unserer neuen Polysiliciumanlage im US-Bundesstaat Tennessee auf das Jahr 2015 zu verschieben.
Zusätzlich belastet und verunsichert haben den Photovoltaikmarkt Anti-Dumping-Verfahren. Die Europäische Union untersucht, ob sie gegen chinesische Solarunternehmen Strafzölle auf Grund unerlaubter Subventionen erheben soll. Das chinesische Wirtschaftsministerium prüft wiederum, ob es Strafzölle gegen ausländische Polysiliciumhersteller verhängen wird. Sollte es zu Strafzöllen kommen, wird die Entwicklung der Photovoltaikindustrie weltweit gebremst und die Energiewende verteuert sich. WACKER hat in dieser Angelegenheit von Anfang an eine klare Position bezogen. Wir haben unseren Standpunkt auch bei den politischen Entscheidungsträgern dargelegt. Wir setzen uns mit Nachdruck für einen freien Handel ein und lehnen Beschränkungen ab. Politische und regulatorische Eingriffe waren in der Vergangenheit nie hilfreich, um Industrien vor den Entwicklungen des Marktes zu schützen. Als Kosten- und Qualitätsführer werden wir unsere Kosten weiter senken und sehen uns gut aufgestellt, um ein führender Polysiliciumhersteller zu bleiben.
Positive Signale vom Photovoltaikmarkt
So schwierig sich im Moment das Photovoltaikgeschäft auch gestaltet: Es gibt einige positive Entwicklungen, die in der Flut von negativen Branchennachrichten nur unzureichend wahrgenommen werden.
Das wichtigste Signal für die Zukunft der Photovoltaik ist: Durch die stark gesunkenen Systempreise ist die Solarenergie gegenüber anderen Energieträgern noch wettbewerbsfähiger geworden. Solarstrom in Deutschland kostet unter zehn Cent pro Kilowattstunde. Er ist damit genauso günstig wie Strom aus Gaskraftwerken.
Die zweite gute Nachricht lautet: Der Markt wächst weiter. Die Installation neuer Solaranlagen ist im vergangenen Jahr auf über 32 Gigawatt gestiegen.
Die dritte gute Nachricht heißt: In immer mehr Ländern der Welt nimmt die Zahl neuinstallierter Kapazitäten zu. Die Photovoltaik ist nicht mehr allein von den bisher größten Einzelmärkten Deutschland und Italien abhängig. Länder wie China, Frankreich, Indien, Japan, Südafrika und die USA setzen stärker auf Solarenergie. Sie haben zum Teil Förderprogramme aufgelegt oder konkrete Ausbauziele für die nächsten Jahre genannt. Allein China will bis zum Jahr 2015 rund 35 Gigawatt neu installieren. Es werden aber auch immer mehr Projekte ohne Förderung verwirklicht.
Wir sind vom zukünftigen Wachstum der Photovoltaik als eines dauerhaft unverzichtbaren Energieträgers überzeugt. Deshalb haben wir auch in dieser kritischen Phase unsere Investitionen fortgesetzt.
In der Halbleiterindustrie wächst das 300 mm Wafergeschäft, das mit kleineren Durchmessern nicht. Wir haben deshalb in den vergangenen zwei Jahren eine Reihe von Strukturmaßnahmen bei kleineren Durchmessern umgesetzt, die auch zu einem Abbau von Mitarbeitern geführt haben. Außerdem haben wir die Grundsatzentscheidung getroffen, uns nicht weiter an der Entwicklung von 450 mm Wafern zu beteiligen. Wir konzentrieren uns auf das bestehende, weiter wachsende 300 mm Geschäft, um unsere Kostenpositionen hier zu verbessern und einen positiven Cashflow zu erwirtschaften.
Die drei Chemiebereiche von WACKER haben sich im Jahr 2012 sehr gut entwickelt. Der Umsatz ist gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent gewachsen. Noch stärker konnte das EBITDA mit 15 Prozent zulegen. In allen wichtigen Regionen haben wir in neue Produktionsanlagen investiert und uns global noch stärker aufgestellt.
Unser Geschäft mit Siliconen hat sich vor allem im Körperpflegebereich sowie in der Textil- und Verpackungsindustrie besonders gut entwickelt. Unser Polymergeschäft ist im Bereich der Bauanwendungen sowie bei Dispersionen für die Teppich- und Verpackungsindustrie gewachsen, wo sie andere Chemieprodukte ersetzen können.
Unsere Dividendenpolitik ist von Anfang an daran orientiert gewesen, unsere Aktionäre angemessen am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu beteiligen, ohne dadurch das künftige Wachstum zu beeinträchtigen. Die Ausschüttungsquote soll dabei mindestens 25 Prozent vom zurechenbaren Jahresergebnis betragen. Aufsichtsrat und Vorstand schlagen der Hauptversammlung im Mai vor, eine Dividende pro dividendenberechtigter Aktie in Höhe von 0,60 Euro auszuschütten. Das entspricht einer Ausschüttungsquote von 26 Prozent bezogen auf das zurechenbare Jahresergebnis der Wacker Chemie AG.
Nicht zufrieden sind wir mit der Kursentwicklung der WACKER-Aktie. Geprägt ist sie in erster Linie von der schwierigen Situation auf dem Photovoltaikmarkt. Der Kursverlauf korreliert dabei stark mit der Entwicklung der Polysiliciumpreise, die im Jahresverlauf deutlich zurückgegangen sind. Wir werden dem Kapitalmarkt noch stärker vermitteln, dass WACKER ein gut positioniertes Chemieunternehmen mit vielen Wachstumschancen ist. Die Betonung liegt dabei auf dem Wort „Chemie“: Sie ist mit Abstand unser größter und ertragssicherster Umsatzträger.
Chemiegeschäft gewinnt an Bedeutung
Das Jahr 2013 wird aus heutiger Sicht kein einfaches Jahr für uns. Die Konsolidierung auf dem Photovoltaikmarkt setzt sich fort mit der positiven Aussicht, dass die Preise für Polysilicium nicht weiter fallen. Das Thema Anti-Dumping-Verfahren birgt für die gesamte Solarbranche erhebliche Risiken. Der Halbleitermarkt bewegt sich seitwärts. Diese Faktoren belasten unsere Geschäftsaussichten nach wie vor. Wenn sich diese Gemengelage zu unseren Gunsten auflöst, wird sich das in Umsatz und Ergebnis positiv auswirken.
Viel positiver sind wir bei unserem Chemiegeschäft. Hier erwarten wir einen weiteren Umsatz- und Ergebnisanstieg für dieses Jahr. Chancen für weiteres Wachstum für unsere Polymerprodukte sehen wir vor allem im Bereich der Bauanwendungen. Im Silicongeschäft wollen wir unsere Marktanteile mit höherwertigen Produkten steigern. Wir werden uns noch globaler aufstellen, um unsere Marktchancen in den wichtigen Wachstumsländern und -regionen wahrzunehmen. Wir konzentrieren uns in Zukunft noch stärker darauf, unser Chemiegeschäft auszubauen und seinen Anteil am Gesamtumsatz weiter zu steigern.
Die Voraussetzungen dafür haben wir geschaffen. WACKER hat in den vergangenen Jahren sehr viel für den Ausbau seiner Produktionskapazitäten ausgegeben. Das Jahr 2012 markiert dabei den Höhepunkt. Mit 1,1 Milliarden Euro haben wir so viel investiert wie noch nie in der Unternehmensgeschichte. Von diesen großen Vorleistungen werden wir in Zukunft profitieren. Die hohen Investitionen gehen jetzt zurück. In diesem Jahr sind sie fast 50 Prozent niedriger als im Jahr 2012.
Die Grundzüge unserer Finanzpolitik behalten ihre Gültigkeit. Auch wenn die Verbindlichkeiten im Jahr 2013 weiter ansteigen, setzen wir auf ein starkes Finanzprofil mit einer vernünftigen Kapitalstruktur und einer gesunden Fälligkeitsstruktur unserer Finanzschulden.
Mit Beginn des neuen Jahres gehört Dr. Tobias Ohler dem Vorstand der Wacker Chemie AG an. In seiner Funktion als Arbeitsdirektor folgt er auf Dr. Wilhelm Sittenthaler, der nach über 30 Jahren bei WACKER seine Vorstandstätigkeit am 31. Dezember 2012 beendet hat.
WACKER hat gute Voraussetzungen über das Jahr 2013 hinaus, sein Wachstum aus eigener Kraft fortzusetzen. Führende Markt- und Technologiepositionen in unseren Geschäftsbereichen, eine starke Präsenz in den wichtigsten Märkten und Innovationskraft sind die Grundlagen dafür.
Gestalter dieses Wachstums sind unsere Mitarbeiter. Mit hohem Engagement und exzellentem Know-how haben sie auch im Jahr 2012 ihr Bestes für WACKER gegeben. Dafür danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch im Namen meiner Vorstandskollegen.
Unser Dank geht aber genauso an all unsere Kunden und Lieferanten für die vertrauensvolle und verlässliche Zusammenarbeit sowie an unsere Aktionäre für den offenen Dialog. Wir wollen mit ihnen allen gemeinsam die Zukunft von WACKER gestalten und sie von der Leistungsfähigkeit ihres Unternehmens überzeugen.
München, im März 2013
Dr. Rudolf Staudigl
Vorsitzender des Vorstands der Wacker Chemie AG