Verbundproduktion

Im intelligenten Stoffverbund verknüpft WACKER unterschiedliche Produktionsketten auf der Basis nur weniger Rohstoffe. Eine solche hochintegrierte Produktion nutzt Energie effizient, schont die Umwelt und die natürlichen Ressourcen.

„Die große Stärke von WACKER sind geschlossene Stoffkreisläufe. Nebenprodukte verwenden wir als Ausgangsmaterial für weitere Produkte und senken so den Energie- und Ressourcenverbrauch.“

Es liegt Spannung in der Luft. „Kein Ort für einen Herzschrittmacher“, hatte Dr. Klaus Blum beim Betreten der Halle auf dem Werkgelände in Burghausen gemahnt. Über eine Stahlgittertreppe steigt der Diplom-Chemiker hoch zu der Elektrolyseanlage. Es ist warm hier oben, ein monotones Brummen erfüllt den Zellensaal. „Zwischen 5.000 und 15.000 Ampere liegen auf den Anoden und Kathoden“, erklärt der Leiter Betriebe/Verbund bei WACKER. In den zweimal 168 hintereinandergeschalteten Zellen trennt der Strom bei 90 Grad Celsius die Chlor- und Natriumionen der hier hochgepumpten Steinsalzsole. An den Anoden wird im sogenannten Membranverfahren Chlorgas, an den Kathoden Wasserstoff und Natronlauge freigesetzt, die Dünnsole fließt zurück in die Salzlösestation.

Die elektrochemische Steinsalzverarbeitung ist einer der Ausgangspunkte für einen umfassenden und hochkomplexen Produktionsverbund bei WACKER. „Unsere Aufgabe ist es, mit wenigen Rohstoffen möglichst viele Produkte herzustellen. Und das mit so wenigen Abfällen wie möglich und bei gleichzeitig maximal effizientem Energieeinsatz“, beschreibt Dr. Blum die Aufgabe eines strategisch geführten und vielfach verzweigten Material- und Energieverbunds.

Mit innerer Logik nachhaltig wirken

Dr. Klaus Blum hatte von Anfang an der gelebte Nachhaltigkeitsgedanke der WACKER-Gründerväter imponiert. Weil mit Chemie stets energiereiche Prozesse verbunden sind, wählten sie damals mit Bedacht den Standort Burghausen. Hier gab es die Wasserkraft der Alz und damit günstig verfügbare Energie. Bereits Anfang der 1930er-Jahre hatten die Unternehmenslenker dann auch ihre „Abfallprodukte“ ins Visier genommen. So suchten sie nach Verfahren, um den als Nebenprodukt anfallenden Kalk bei der Carbidproduktion wiederzuverwenden.

„Der Verbund auf der Basis von Salz, Silicium und Ethylen wirkt aus seiner inneren Logik zwangsläufig nachhaltig“, erläutert Dr. Guido Kallinger das Prinzip. Der Leiter Basischemikalien bei WACKER in Burghausen steuert mit Dr. Blum in einem vierköpfigen, der Werkleitung zugeordneten Planungsteam die ineinander verketteten Produktionen. „Wenn die Nebenprodukte einzelner chemischer Prozesse, wie Abgase, Abwasser, Abfall und insbesondere Abwärme, nicht genutzt werden, ist das nicht nur umweltbelastend, sondern auch gleichbedeutend mit einem Wertverlust.“ Bei integrierten Produktionsprozessen greifen hingegen viele eigentlich unabhängige Produktionen wie Räder ineinander und treiben so in einer Art Zahnradwerk die Ganzheit des Verbunds an. „Der große Vorteil liegt in einem effizienten Material- und Energieeinsatz. Nebenprodukte werden immer wieder aufbereitet und im Verbund wiederverwendet oder einer externen Nutzung zugeführt“, stellt Dr. Kallinger fest.

Ein Werk – ein Kreislauf

„Im Chlor-HCl-Verbund werden die toxischen chlorhaltigen Zwischenprodukte in ungiftige Endprodukte wie Reinstsilicium, Silicone oder pyrogene Kieselsäure umgewandelt. Über den Stoffverbund gewinnen wir dabei sowohl Chlorwasserstoff als auch einen Teil der aufgewendeten Energie in Form von Heizdampf zurück“, erklärt Dr. Klaus Blum die Wieder- und Weiterverwertungskette. Mit diesem geschlossenen Kreislauf, der auf dem großen Werkgelände in Burghausen die unterschiedlichen, nahe beieinander liegenden Produktionsanlagen einschließt, reduziere WACKER nicht nur Emissionen, sondern auch die Zahl potenziell gefährlicher Transporte auf Straße und Schiene.

Der Chlor-HCl-Verbund ist für die Planer Teil eines umfassenden Verbundsystems der WACKER-Standorte in Burghausen und Nünchritz. Mit dazu gehören auch der Ethylenverbund, bei dem aus Ethylen organische Grundchemikalien und daraus wiederum Polymerdispersionen und Dispersionspulver produziert werden, wie sie beispielsweise in der Bau- und der Automobilwirtschaft zum Einsatz kommen. Im Siliciumverbund lassen sich aus Silicium, Methanol und Kochsalz über 3.000 Siliconprodukte, pyrogene Kieselsäure und polykristallines Polysilicium gewinnen. „Wenn aus dieser Gesamtverbundproduktion dann beispielsweise Silicone für Windkraftanlagen oder Solarzellen für die Photovoltaik hergestellt werden, steht trotz des Einsatzes energieintensiver Zwischenprodukte in der Gesamtbilanz der Prozesskette sogar ein Nettoenergiegewinn“, rechnet Dr. Klaus Blum vor.

Hoch motiviert für anspruchsvolle Aufgaben

Es ist Aufgabe der Verbundplaner, stets in solchen ganzheitlichen Perspektiven zu denken: „Wir müssen dabei unsere eigenen Produktions- und Prozessbedingungen genauso im Auge behalten wie die Absatzmärkte und ihre saisonalen Schwankungen, wie sie etwa in der Bauwirtschaft allgegenwärtig sind“, beschreibt Dr. Klaus Blum die Herausforderung. Dabei kann der Verbundleiter in regelmäßigen Besprechungen auf Prozessbeteiligte zählen, die alle an einem Strang ziehen. „In der Regel treffen sich einmal pro Monat die Meister, die Betriebs- und Abteilungsleiter, die Verbund- und Bereichsplaner, um gemeinsam die Arbeitsergebnisse zu bilanzieren, offene Fragen zu klären und praktikable Lösungen zu erarbeiten. Das tun sie hoch motiviert“, freut sich Dr. Blum.

Nur wenige Schritte neben der Membran-Elektrolyseanlage betreibt Dr. Kallinger eine HCl-Synthese. Gelbe Rohrleitungen führen über das Werkgelände das elektrochemisch erzeugte Wasserstoff- und Chlorgas direkt aus dem Zellensaal zu den stahlummantelten Reaktoren. Durch ein Bullauge ist eine gleißende Flamme zu sehen. „Bei rund 2.000 Grad Celsius erzeugen wir in einer kontrollierten Chlorknallgasreaktion HCl-Gas und produzieren so hochkonzentrierte Salzsäure“, bringt Dr. Kallinger das feurige Geschehen auf den Punkt. Der Chlorwasserstoff und die bei ihrer Synthese frei werdende Energie werden dann bedarfsgesteuert für die Herstellung weiterer Zwischenprodukte genutzt. „Weil alles in solchen verketteten Prozessen zusammenspielt, gelingt es, die Material- und Energieverluste auf ein Minimum zu reduzieren. Auf diesem Königsweg ist Verbundchemie maximal effizient.“

Die HCl-Synthese wird wie alle Anlagen im Verbund rund um die Uhr überwacht und aus der benachbarten Schaltzentrale ferngesteuert. WACKER-Mitarbeiter kontrollieren dort auf zwölf Monitoren jeden einzelnen Prozess. Falls es irgendwo kritisch wird, können sie eingreifen und bei Bedarf die jeweilige Anlage mit Notschaltern auch sofort stoppen. Keine Frage: Im Verbund steht neben der Effizienz die Sicherheit ganz oben auf der Agenda. An der Wand hängt ein Hochglanzposter. „Am 08. Januar 2012 waren es 6.500 Tage ohne meldepflichtigen Betriebsunfall, bei der HCl-Synthese fast 18 Jahre“, erklärt Dr. Blum „Das soll so bleiben. Gerade die Produktionssicherheit macht einen nachhaltigen Verbund so stark.“

Potenziale der Ressourceneinsparung

Symbol Produktionskreislauf (Symbol)

97 %

der in Burghausen und Nünchritz in den Produktionskreisläufen verwendeten Menge Chlorwasserstoff werden recycelt.

Symbol Tropfen (Symbol)

742.000 t

Emissionen von CO2-Äquivalenten wurden 2012 vermieden. Grund: Die hohe Wiederverwertungsrate erspart die Erzeugung von Frisch-Chlorwasserstoff und damit Transporte von Rohstoffen und den Verbrauch von Energie.

Symbol Sonne (Symbol)

44 %

der erzeugten Wärme stammen aus dem Ausbau des überbetrieblichen Wärmeverbunds in Burghausen.

Dr. Klaus Blum (r.), stellvertretender Werkleiter des Standorts Burghausen

Dr. Klaus Blum (r.)
stellvertretender Werkleiter des Standorts Burghausen

Dr. Guido Kallinger (l.)
Leiter Basischemikalien

Unsere Aufgaben
  • 1.Nachhaltiges Wirtschaften in allen Produktions- und Geschäftsprozessen
  • 2.Nebenprodukte als Ausgangsmaterial für weitere Produkte verwenden
  • 3.Energie- und Ressourcenverbrauch ständig verringern