Lieferantenmanagement

Dr. Siegfried Kiese leitet den Zentralbereich Technischer Einkauf & Logistik. (Foto)

Dr. Siegfried Kiese leitet den Zentralbereich Technischer Einkauf & Logistik. Der promovierte Ingenieur ist seit 25 Jahren in technischen Leitungsfunktionen bei WACKER tätig. Sein Erfolgsrezept für den technischen Einkauf: der Dreiklang aus technischer Expertise, Marktexpertise und strategischem Lieferantenmanagement. Langen Atem trainiert der Vater zweier erwachsener Kinder beim Laufen, Augenmaß und Zielgenauigkeit beim Golfspiel.

Lieferantenmanagement

Herr Dr. Kiese, WACKER agiert auf komplexen und globalen Märkten. Wie haben Sie Ihr Team im Technischen Einkauf darauf eingestellt?

Wir haben unser Lieferantenmanagement auf 18 Warenklassenteams spezialisiert, die für alle Einkäufe in ihrem Bereich unternehmensübergreifend zuständig sind. Die dafür zuständigen Einkäufer – zum Beispiel für technische Materialien, Verpackungen, Ingenieursdienstleistungen oder Montage – arbeiten eng mit der Ingenieurtechnik und den Produktionsbetrieben zusammen. Die Kernaussage lautet: Beschaffung ist nicht allein Sache des Einkaufs, sondern eine Frage des Teamworks.

Wie sind Ihre Mitarbeiter für diese Aufgaben qualifiziert?

Von den knapp 80 Kolleginnen und Kollegen im Technischen Einkauf in Deutschland haben rund 40 Prozent einen Hochschulabschluss oder eine ähnliche Ausbildung. Vor zehn Jahren lag diese Quote bei unter zehn Prozent. Neben Kaufleuten arbeiten wir mittlerweile verstärkt mit Chemikern, Physikern, Elektrotechnikern oder Wirtschaftsingenieuren und immer mehr mit Muttersprachlern, die sich auf unseren Kernmärkten auskennen. Und wir lernen täglich von und mit unseren Kunden – der Technik und den Betrieben bei WACKER, für die wir einkaufen. Durch diese enge Verzahnung kennen wir unseren eigenen Bedarf sehr gut, können aktive Lieferantenbeziehungen gut einschätzen und neue gezielt gewinnen.

Das klingt nach einer Aufgabe, die gewissermaßen nie endet.

Genauso ist das. Für sämtliche Lieferanten gilt: Sie unterstützen uns mit ihren Produkten im internationalen Wettbewerb und tragen damit ihren Teil zum Erfolg von WACKER bei. Dafür müssen sie zu den Besten gehören. Und sich gleichzeitig fortwährend dem Vergleich mit Lieferanten aus aller Welt stellen.

Gilt das auch für Unternehmen, mit denen Sie zum Teil schon seit Jahrzehnten zusammenarbeiten?

Natürlich legen wir viel Wert auf langjährige Partnerschaften. Langjährige Kooperationen ermöglichen beiden Seiten, voneinander zu lernen. Das wirkt sich positiv auf Qualität und Produktivität aus. Partnerschaft und Zusammenarbeit bedeuten nachhaltige Verbesserung. Wir wollen aber auch nicht auf Know-how und Innovationen neuer Lieferanten verzichten. Ein vernünftiger Mix aus langjährigen Partnern und Neueinsteigern ist deshalb extrem wichtig.

In der Logistik sind viele unserer Partner schon lange mit uns im Geschäft. In Europa arbeiten wir mit 50 Prozent der Unternehmen schon länger als zehn Jahre zusammen. Gleichzeitig haben wir eine Wechselquote von 20 Prozent. Somit sichern wir uns langjährige Erfahrung und verzichten auf der anderen Seite nicht auf das Know-how anderer Unternehmen. Wechsel im Portfolio sind oft unvermeidbar, um den eigenen Qualitätsanspruch und die Qualitätszusagen an unsere Kunden zu erfüllen. Unsere Bereitschaft zu wechseln sichert unsere Unabhängigkeit, liefert Anreize für alte und neue Partner und erschließt uns gemeinsame Potenziale.

Wäre es nicht von Vorteil, mit einigen wenigen wirtschaftlich starken Lieferanten gut eingespielte Prozesse exklusiv und dauerhaft zu etablieren?

Exklusivität haben wir nur in einigen ausgewählten Segmenten, wo wir mit Lieferanten Know-how austauschen, das wir schützen müssen. In den übrigen Bereichen suchen wir die besten Lieferanten, die sich am Markt bei vielen Kunden erfolgreich behaupten und ihre Leistungsfähigkeit bei Innovation, Qualität und Preis laufend unter Beweis stellen. Hier entscheiden wir im Wettbewerb. Ihr Know-how hilft uns und wir tragen über die partnerschaftliche Zusammenarbeit auch zu ihrer Wettbewerbsstärke bei. Wir merken das hautnah bei unserem jährlichen Lieferantentag, bei dem wir uns mit weit mehr als 100 Unternehmen austauschen.

Eine solche Strategie lässt eventuell die Kosten steigen. Wie wichtig ist unter dem Strich der Preis?

Bei einfachen Produkten, bei denen drei Anbieter identische Leistungen anbieten, entscheidet in der Regel der Preis. Bei komplexeren Beschaffungsvorgängen richten wir uns nach dem Total-Cost-of-Ownership-Prinzip: Zu den Kosten, die während der Lebensdauer des Produktes anfallen, zählt ja nicht allein der Anschaffungspreis. Neben Leistung sind Lieferzeiten, Energieeffizienz, Lebenserwartung oder Restwerte der Produkte ebenso entscheidend. Letztlich wählen wir das beste Gesamtpaket aus Kosten und Nutzen.

Spielen dabei die ethischen Standards, die sich WACKER auf die Fahnen geschrieben hat, für die Zusammenarbeit mit den Lieferanten eine Rolle?

Grundsätzlich müssen sich alle unsere Partner den Nachhaltigkeitsprinzipien verpflichten, für die wir durch unsere Mitgliedschaft in der Global-Compact-Initiative stehen, die von den UN gemeinsam mit Unternehmen weltweit ins Leben gerufen wurde. Insbesondere bei neuen Lieferanten erwarten wir auch dazu eine umfangreiche Selbstauskunft und auditieren im Rahmen der Zulassung oder vor Vertragsabschluss auch Umwelt- und Sozialaspekte.

Ganz pragmatisch: Wie wickelt WACKER die jährlich rund 320.000 Bestellungen im Technischen Einkauf ab?

Wir haben ein elektronisches Einkaufssystem implementiert, in dem Technik und Betriebe auf der Basis von Rahmenverträgen Produkte und Dienstleistungen selbstständig und ohne großen Aufwand bestellen bzw. abrufen können. Das sind in Deutschland über 70 Prozent aller rund 600.000 Einzelpositionen. Von der Bestellung über die Lieferung, Prüfung und Freigabe bis zur Bezahlung läuft alles automatisiert. Allein über unsere mehr als 100 elektronischen Kataloge wickeln wir damit rund ein Drittel unserer gesamten Positionen ab. Bezogen auf die rund 400.000 Bestellpositionen im SAP liegt der Anteil bei 50 Prozent. Das Paradoxe aber ist, dass diese 50 Prozent weniger als zehn Prozent unseres Einkaufsvolumens ausmachen. Der größte Teil der Ausgaben fließt in komplexere Produkte wie High-tech-Anlagenteile. Schritt für Schritt übertragen wir dieses Konzept auch auf unsere Organisationen in den USA und China.

Wo finden Sie neue Lieferanten – und wie entscheiden Sie, ob diese für WACKER in Frage kommen?

Viele Unternehmen kommen von selbst auf uns zu, weil sie gern mit uns zusammenarbeiten würden. Und wir stellen eigene Recherchen an, um neue Lieferanten zu finden. Einen Check inklusive umfangreicher Selbstauskunft müssen alle über sich ergehen lassen. Anhand von ausführlichen Checklisten lassen wir uns erklären, wie die Firmen sich die Lieferbeziehung vorstellen und ob sie unsere Anforderungen wie die Einhaltung von Lieferzeiten, die Qualität der Produkte oder Umweltaspekte in der Produktion erfüllen können.

Können Sie sich gegen sämtliche Risiken schützen?

Natürlich nicht. Aber wir haben ein gutes Risikomanagement, um sie zu beherrschen. Die Grundlage dafür: unsere Risikoklassifizierung, die alle Lieferanten umfasst. Unsere Einkäufer schauen sehr genau hin. Wo haben wir wichtige kritische Anforderungen? Können die erfüllt werden? Stimmt die Qualität noch, die wir brauchen? Wird pünktlich geliefert? Hat der Lieferant Probleme oder droht eine Insolvenz? Zusätzlich nutzen wir auch Datenquellen wie die des Dienstleisters D & B, der weltweit mehr als 145 Millionen Firmen und 4,8 Millionen Unternehmen in Deutschland auf ihr Zahlungsverhalten und Finanzdaten wie Umsatz, Gewinn und Eigenkapital analysiert. Wir arbeiten nur mit Firmen, die wir kennen. Auf diese Weise haben wir die Möglichkeit, unsere Partner genau einschätzen zu können und den Erfolg für beide Seiten zu sichern.

Steckbrief

Qualität und Sicherheit: Das Lieferantenmanagement
sorgt für reibungslose Abläufe.

Qualitätssteigerung (Balkendiagramm)

Qualität steigern

Konsequentes Lieferantenmanagement geht mit konsequenter Qualitätskontrolle einher. So konnte WACKER die Qualität seiner Logistik-dienstleister in den vergangenen zehn Jahren erheblich erhöhen.

70 % der Bestellungen laufen über automatisierte E-Kataloge (Grafik)

Bestellung per Mausklick

WACKER wickelt im Technischen Einkauf jedes Jahr rund 320.000 Bestellungen ab. Über 70 Prozent der Bestellungen laufen über automatisierte E-Kataloge. Der Wert dieser Bestellungen liegt bei 10 bis 20 Prozent des Einkaufvolumens.

Eine starke Gemeinschaft

Eine Präsentation vor großem Publikum. (Foto)

Aktuell liefern 6.000 Partner aus allen erdenklichen Branchen Rohstoffe, Materialien und Dienstleistungen an WACKER. Über 15.000 unterschiedliche Lieferanten hatten bisher Geschäftsbeziehungen zum Unternehmen.

Einkaufsvolumen weltweit

Einkaufsvolumen weltweit (Tortendiagramm)